Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld, Gary Rüsch
"... so ..."
Rz. 63
"so". Mit der Formulierung "so" will der Gesetzgeber die Erfassung von Qualifikationskonflikten ausdrücken. Gemeint ist, dass der andere Staat den entsprechenden Sachverhalt einer von Deutschlandabweichenden Abkommensbestimmung zuordnet. Auf den Grund dafür kommt es nicht an. Dass sich die Erfassung von Qualifikationskonflikten allerdings aus dem Wörtchen "so" ergeben soll, spiegelt sich nicht im Wortlaut wider. Statt die Voraussetzung – wie im Referentenentwurf des JStG 2007 noch deutlich enthalten – als ausdrückliche Tatbestandsvoraussetzung zu normieren (was auch einfach möglich gewesen wäre), ist die missglückte Formulierung"so anwendet" nicht auf Qualifikationskonflikte zugeschnitten, weil sie grammatikalisch nur den Zusammenhang zur (dann folgenden) Voraussetzung einer Nicht- und Niedrigbesteuerung (s. Rz. 65, 69) herstellt, die aber auch gewollt sein kann, wie das Beispiel des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs zeigt. Hier würde die Steuerfreistellung bei gleichzeitiger Nichtbesteuerung der deutschen Abkommensvorstellung entsprechen, was in der aktuellen Fassung dem Wortlaut nach zu versagen sein könnte. Das Erfordernis einer abweichenden Abkommensanwendung ergibt sich nur aus dem Gesamtkontext der Vorschrift, insbesondere aus der Gesetzesbegründung. Das ist dann aber wiederum auch ausreichend, weshalb "nur" die Kritik an der nicht gelungenen Gesetzgebungstechnik verbleibt.
Rz. 64
Vergleich zu Art. 23 Abs. 4 OECD-MA. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG hat sein "Vorbild" in Art. 23A Abs. 4 OECD-MA (s. Rz. 2), der bereits seit dem Jahr 2000 für abkommensrechtliche Qualifikationskonflikte eine Einschränkung der Freistellungsmethode enthält, aber noch nicht in allen deutschen DBA umgesetzt ist. Im Schrifttum wird kritisiert, dass die innerstaatliche Vorschrift "deutlich" über die Vorgaben von Art. 23A Abs. 4 OECD-MA hinausgehen würde, weil sie Qualifikationskonflikte "jedweder Art" erfasst. Das ist zwar richtig (s. Rz. 62), nur ist darin kein Unterschied zu Art. 23A Abs. 4 OECD-MA festzustellen, der einen nahezu identischen Wortlaut hat ("Absatz 1 gilt nicht für Einkünfte oder Vermögen einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, wenn der andere Vertragsstaat dieses Abkommen so anwendet, dass er diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung ausnimmt oder Absatz 2 des Artikels 10 oder des Artikels 11 auf diese Einkünfte anwendet"), und damit ebenfalls keinen Grund für den Qualifikationskonflikt normiert, was sich im Übrigen auch aus dem zugrunde liegenden Partnership-Report ergibt. Dass sich Art. 23A Abs. 4 OECD-MA nur auf Art. 10 und 11 OECD-MA bezieht liegt daran, dass das OECD-MA für Lizenzen kein begrenztes Quellenbesteuerungsrecht kennt. Somit hat § 50d Abs. 9 EStG einen inhaltlich weitergehenden Anwendungsbereich "lediglich" im Fehlen einer abkommensrechtlichen Ansässigkeit als Voraussetzung, was dann aber auch zu kritisieren ist (dazu Rz. 54).