Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
„(11) 1 Zuwendungen der ausländischen Familienstiftung unterliegen bei Personen im Sinne des Absatzes 1 nicht der Besteuerung, ...”
Rz. 496
Zuwendungen. Da Abs. 11 nur für die Besteuerung des Einkommens der Destinatäre Anwendung findet (vgl. zu den erfassten Steuerarten näher Rz. 499), erscheint die Verwendung des Begriffs "Zuwendung" unglücklich. Im Einkommensteuerrecht findet sich der Begriff z.B. in § 4 c, § 4 d, § 10 b, § 12 Nr. 2, § 19 Abs. 1, § 34 g EStG, mithin in deutlich anderem Kontext als demjenigen, in welchem Abs. 11 steht. Nach dem Normtelos (vgl. dazu Rz. 491) hätte es nähergelegen, sich an der Begrifflichkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG auszurichten, der von "Leistungen" spricht. In Zweifelsfällen wird man die Auslegung des Zuwendungsbegriffs des Abs. 11 daran zu orientieren haben. Eine Abfindung, die ein Begünstigter von anderen als Gegenleistung dafür erhält, dass er auf seine Rechtsposition gegenüber der Stiftung verzichtet, bildet keine Zuwendung der Stiftung. Insoweit, als die Abfindung Beträge abgilt, die bereits der Zurechnung unterlagen, kommt zur Vermeidung einer Überbesteuerung eine analoge Anwendung von Abs. 11 auf den (anteiligen) Veräußerungserlös in Betracht.
Rz. 497
Ausländische Familienstiftung. Aus der Verwendung des bestimmten Artikels ("der ausländischen Familienstiftung") statt des unbestimmten Artikels ("einer ausländischen Familienstiftung") könnte abgeleitet werden, dass die Stiftung, welche die Einkünfte erzielt hat, mit derjenigen identisch sein muss, welche die Leistungen erbringt. Diese Frage kann sich bei der Zusammenlegung von Stiftungen stellen. Ein Identitätserfordernis würde die Anwendung von Abs. 11 vom ausländischen Stiftungszivilrecht abhängig machen. Das Potenzial steuerfreier Zuwendungen bliebe dann erhalten, wenn Stiftungen identitätswahrend zusammengelegt werden können; andernfalls ginge es unter. Ein sachlicher Grund für eine solche steuerrechtliche Differenzierung in Anlehnung an das ausländische Zivilrecht ist nicht ersichtlich, sodass eine rechtliche Identität der leistenden Stiftung mit derjenigen, welche die zugerechneten Einkünfte erzielt hat, nicht Voraussetzung für die Anwendung von Abs. 11 ist. Ein weiteres Auslegungsproblem stellt sich, falls die Stiftung zwischen dem – ggf. lange in der Vergangenheit liegenden (vgl. Rz. 507) – Zeitpunkt der Zurechnung und der Zuwendung ihre Geschäftsleitung in das Inland verlegt hat. Es handelt sich dann zwar noch um die nämliche Stiftung, jedoch nicht mehr um eine ausländische Familienstiftung (nach den Kriterien des Abs. 1), sodass bei wortsinngetreuer Anwendung die Steuerfreiheit zu versagen wäre. Dies würde aber offensichtlich das Ziel der Vorschrift verfehlen. Denn die Einkünfte der Stiftung haben ja unabhängig vom Ort der Geschäftsleitung bereits der inländischen Besteuerung unterlegen. Es dürfte insoweit eine planwidrige Lücke vorliegen, die durch eine teleologische Reduktion hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "ausländisch" zu schließen ist (vgl. § 3 Nr. 41 EStG Rz. 47).
Rz. 498
Rechtsfolge: Ausnahme von der Besteuerung. Als Rechtsfolge ordnet Abs. 11 Satz 1 an, dass entsprechende Beträge von der Steuer ausgenommen sind. Es handelt sich nach Wortlaut und systematischer Stellung (insb. im Vergleich zum früheren § 3 Nr. 41 EStG) nicht um eine Steuerbefreiung, vielmehr sind entsprechend Beträge nicht steuerbar (vgl. Rz. 491). Der Empfänger der Zuwendung kann auf die Rechtsfolge des Abs. 11 nicht verzichten; es besteht kein Wahlrecht. Ohne Bedeutung sind die Steuerfolgen, die durch die Zuwendungen ohne Anwendung des Abs. 11 ausgelöst würden. Für einen Verbrauch von Entlastungspotenzial (vgl. Rz. 503) kommt es nicht darauf an, ob und wie die Zuwendungen beim Berechtigten einer Steuerbelastung unterliegen, ob sie etwa nach anderen Regeln von der Besteuerung ausgenommen sind oder mit seinen anderen negativen Einkünften verrechnet werden können (vgl. § 3 Nr. 41 EStG Rz. 56).
Rz. 499
Betroffene Steuerarten. Dem Wortsinn nach gilt die Ausnahme von der Besteuerung umfassend und ist nicht auf die Besteuerung des Einkommens beschränkt. Sie würde somit auch für die Erbschaftsteuer gelten. Dafür lässt sich die Verwendung des Begriffs der Zuwendung anführen (statt des einkommensteuerrechtlich näherliegenden Begriffs der Leistung, vgl. Rz. 496). Unter diesem Blickwinkel könnte der Umstand einen Sinn erhalten, dass die Freistellung im Außensteuerrecht selbst normiert ist und nicht, wie vor Inkrafttreten des ATAD-UmsG bei der Hinzurechnungsbesteuerung, in § 3 Nr. 41 EStG a.F. Dagegen spricht allerdings, dass die Zurechnung von Einkünften und Vermögen nach § 15 für die ErbSt überhaupt nicht gilt (§ 15 Abs. 1 Satz 2). Zudem hatte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung zum JStG 2013 lediglich eine Kodifizierung der bisherigen Praxis im Auge. Diese wiederum war nach der Formulierung des AEAStG auf die ESt beschränkt. Insofern erscheint eine Einschränkung ...