Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 121
Zeitliches Auseinanderfallen von Erhebungszeitraum und Entrichtungszeitpunkt. Im Umkehrschluss aus § 10 Abs. 1 Satz 2 folgt, dass schon nach Satz 1 jede abziehbare Steuer erhoben und entrichtet sein muss. Während Satz 1 von dem Normalfall ausgeht, dass die Steuer noch in dem Jahr entrichtet wird, für das sie erhoben wird, regelt Satz 2 das zeitliche Auseinanderfallen von Erhebungszeitraum und Entrichtungszeitpunkt. Die abziehbare Steuer erhält erst in dem Augenblick den Charakter einer Betriebsausgabe, in dem sie bezahlt ist. Auf den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Einkünften im Jahr der Steuerzahlung und den gezahlten Steuern kommt es insoweit nicht an. § 10 Abs. 1 Satz 2 hat damit die Funktion einer zeitlichen Zuordnungsvorschrift. Die zeitliche Zuordnung ist ebenso für Steuernachforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung oder einer verspätet abgegebenen Steuererklärung wie auch für Steuerstundungen von Bedeutung. Die Tatsache, dass die Steuern erst im Zeitpunkt ihrer Entrichtung abziehbar werden, bedeutet für die Steuerpflichtigen einen gewissen Gestaltungsspielraum. Durch Steuerzahlungen zum richtigen Zeitpunkt können Abzugsmöglichkeiten geschaffen werden, die anderenfalls ins Leere gehen. Dies ist letztlich die Folge davon, dass der Gesetzgeber Tatbestände miteinander verbindet, die wirtschaftlich gesehen keinen Bezug zueinander haben. Zu den Problemen des zeitlichen Auseinanderfallens von Erhebungs- und Entrichtungszeitraum vgl. die Beispiele in Anm. 104.
Rz. 122
Jahresbegriff bezieht sich auf Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft. § 10 Abs. 1 Satz 2 ist missverständlich formuliert. Auch wenn die Regelung die zeitliche Zuordnung der abziehbaren Steuern nach Jahren vorsieht, so ergibt sich aus dem Gesetz nicht unmittelbar, ob mit dem Jahresbegriff das Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft oder aber der Veranlagungszeitraum des Steuerinländers gemeint ist. Diese Frage ist dem Sinn der Abzugsregelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 entsprechend zu beantworten. Durch die Hinzurechnungsbesteuerung soll der Betrag erfasst werden, den die ausländische Gesellschaft günstigstenfalls hätte ausschütten können. Weil gezahlte ausländische Steuern nicht ausgeschüttet werden können, sieht das Gesetz ausdrücklich die Abziehbarkeit vor. Allerdings tritt die Abziehbarkeit zeitlich gesehen erst dann ein, wenn der Vermögensabfluss in der Form der Steuerzahlung gegeben ist. Hiervon ausgehend ist entscheidend, dass die ausländische Gesellschaft immer nur für Geschäftsjahre ausschütten kann. Entsprechend kann jeder potentielle Ausschüttungsbetrag sich begrifflich nur auf Geschäftsjahre der ausschüttenden Gesellschaft beziehen. Wird deshalb der potenzielle Ausschüttungsbetrag einerseits durch Steuerzahlungen gemindert, tritt jedoch andererseits die Minderung erst mit der Steuerzahlung ein, so kann die Steuerzahlung jeweils nur die Zwischeneinkünfte mindern, die in dem Geschäftsjahr der ausländischen Gesellschaft bezogen werden, in das die Steuerzahlung fällt. Unter dem Jahresbegriff ist also das Geschäftsjahr der ausländischen Gesellschaft zu verstehen. Der für den Steuerinländer maßgebliche Veranlagungszeitraum ist für die zeitliche Zuordnung der abziehbaren Steuern ohne Bedeutung.
Rz. 123
Zeitliches Auseinanderfallen bei abweichendem Wirtschaftsjahr. Hat die ausländische Gesellschaft ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr und werden die ausländischen Steuern erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs, jedoch vor Ablauf des für die inländische Besteuerung maßgebenden Veranlagungszeitraums bezahlt, in welchen das Ende des Wirtschaftsjahrs fällt, so sind die Steuern erst von den Zwischeneinkünften des folgenden Wirtschaftsjahrs abzuziehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Abzug der Steuern in § 10 Abs. 1 Satz 1 Betriebsausgabencharakter erhalten hat. Er muss also im Rahmen der Einkunftsermittlung vorgenommen werden. Sind aber mit Ende des Wirtschaftsjahrs Zwischeneinkünfte begrifflich entstanden und dem Steuerinländer fiktiv zugeflossen, so können sie durch spätere Steuerzahlungen nicht mehr verändert werden. Der Hinzurechnungszeitpunkt des § 10 Abs. 2 bildet also grds. die zeitliche Zäsur. Etwas anderes gilt nur dann, wenn durch den Abzug der entrichteten Steuern eine negativer Betrag entsteht und eine Hinzurechnung gem. § 10 Abs. 1 Satz 3 unterbleibt. Weil Verluste auf der Ermittlungsebene mit früheren oder späteren Verlusten auszugleichen sind, führt ein Verlustrücktrag gem. § 10 Abs. 3 Satz 5 und 6 i.V.m. § 10 d EStG zu einer Änderung der Zwischeneinkünfte des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs. Verfügt auch der Steuerinländer über ein abweichendes Wirtschaftsjahr, so ändert sich an dem Ergebnis nichts, weil § 10 Abs. 1 Satz 2 auf den Hinzurechnungszeitpunkt und damit nur auf das Ende des Wirtschaftsjahrs der ausländischen Gesellschaft, nicht aber auf das Ende des Wirtschaftsjahrs des Steuerinländers abstellt.
Beispiel 1
Die ausländische Gesell...