Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 36
Zwei absolute Freigrenzen. Die Freistellung der Zwischeneinkünfte von der Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 9 setzt neben der relativen Freigrenze die Einhaltung zweier absoluter Freigrenzen voraus. Die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegenden Zwischeneinkünfte dürfen weder bei der einzelnen ausländischen Gesellschaft noch bei dem einzelnen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner den absoluten Betrag von 80 000 Euro übersteigen. Maßgeblich sind die Zwischeneinkünfte und weder irgendwelche Bruttoerträge noch Hinzurechnungsbeträge.
Rz. 37
Gesetzesänderungen. Die Freigrenze von 80 000 Euro ist gem. § 21 Abs. 17 erstmalig für Wirtschaftsjahre von Zwischengesellschaften zu gewähren, die nach dem 31.12.2007 beginnen. Vorher betrug die Freigrenze "120 000 Deutsche Mark". Die entsprechende Formulierung beruht auf einem "Fehler" in Art. 5 Nr. 9 UntStFG v. 20.12.2001. Dort hat man die bereits durch das StEuglG v. 19.12.2000 vollzogene Umrechnung auf 62 000 Euro außer Acht gelassen. Erst im JStG 2008 v. 20.12.2007 wurde dieser Fehler aufgedeckt und korrigiert. Gleichzeitig wurde die Freigrenze angehoben. Für die Wirtschaftsjahre 2001–2007 darf man erwarten, dass die Finanzverwaltung die Freigrenze bei 62 000 Euro ansetzen wird.
Rz. 38
Ermittlung der absoluten Freigrenzen. Für die Ermittlung der absoluten Freigrenzen gelten die Ausführungen unter Anm. 22 ff. sinnentsprechend. Auch insoweit kommt eine Ermittlung nur nach deutschem Steuerrecht in Betracht. Übersteigen die Zwischeneinkünfte einer ausländischen Obergesellschaft 80 000 Euro, so hat dies Auswirkungen für alle gem. § 7 Abs. 1 an ihr beteiligten und unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner. Dies gilt auch für anteilig auf Gesellschafter entfallende Zwischeneinkünfte, die nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Es ist also nicht denkbar, dass ein Gesellschafter sich auf das Unterschreiten der absoluten gesellschaftsbezogenen Freigrenze berufen kann und ein anderer nicht. Etwas anderes gilt nur für die gesellschafterbezogene Freigrenze jedes einzelnen Anteilseigner. Zusätzlich ist bei der gesellschaftsbezogenen Freigrenze auf das für die Gewinnermittlung nach deutschem Steuerrecht maßgebende Wirtschaftsjahr abzustellen. Bei der gesellschafterbezogenen Freigrenze kommt es dagegen darauf an, ob der Hinzurechnungsbetrag gem. § 10 Abs. 2 Satz 2 zu Einkünften aus Gewerbebetrieb oder gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt. Entsprechend ist auf das maßgebende Wirtschaftsjahr bzw. Kalenderjahr abzustellen, in dem der Hinzurechnungsbetrag ggf. zufließen würde.
Rz. 39
Gesellschaftsbezogene absolute Freigrenze. Es gelten die Ausführungen unter Anm. 22 ff. sinnentsprechend. Nach dem Wortlaut des § 9 bezieht sich die gesellschaftsbezogene absolute Freigrenze nur auf die Ebene der ausländischen Obergesellschaft. Aus den in Anm. 30 genannten Gründen findet § 9 auf der Ebene einer ausländischen Untergesellschaft keine Anwendung. Allerdings sind bei der Ermittlung der gesellschaftsbezogenen absoluten Freigrenze die gem. § 14 Abs. 1 zugerechneten Zwischeneinkünfte miteinzubeziehen. Der Regelung in Tz. 9.0.2.1 des AEAStG v. 14.5.2004 ist insoweit zuzustimmen. Tz. 14.1.3 des AEAStG v. 14.5.2004 hat dagegen keine Rechtsgrundlage. Im Übrigen sind die Ausführungen unter Anm. 30 ff. entsprechend anzuwenden.
Beispiel
Die ausländische Obergesellschaft T erzielt Einkünfte aus aktivem Erwerb in Höhe von 10 000 Euro. Sie ist außerdem zu 100 Prozent an der E (Untergesellschaft) beteiligt. E erzielt Einkünfte aus passivem Erwerb in Höhe von 81 000 Euro. § 9 ist nur auf der Ebene der Obergesellschaft anzuwenden. Dort sind jedoch die zugerechneten Zwischeneinkünfte mit einzubeziehen. T ist deshalb steuerrechtlich so zu behandeln, als habe sie Zwischeneinkünfte in Höhe von 81 000 Euro erzielt. Damit ist die gesellschaftsbezogene Freigrenze überschritten.
Rz. 40
Bezug zu den anzusetzenden Zwischeneinkünften. Während sich die relative Freigrenze auf die Bruttoerträge bezieht, betrifft die gesellschaftsbezogene absolute Freigrenze die bei einer Gesellschaft (= Obergesellschaft) anzusetzenden Zwischeneinkünfte. Der Begriff ist nicht mit dem des Hinzurechnungsbetrages identisch. Er setzt zwar auch bei der Anwendung des § 10 an und versteht sich nach Abzug der mit den Zwischeneinkünften in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang stehenden Betriebsausgaben. Alle übrigen Abzüge jedoch, die gedanklich erst nach der Ermittlung der Zwischeneinkünfte ansetzen, sind außer Betracht zu lassen. Dazu gehört insbesondere der Steuerabzug nach § 10 Abs. 1 Satz 1. Zu berücksichtigen ist ein evtl. Verlustabzug, weil er unmittelbar auf die Ermittlung der Zwischeneinkünfte einwirkt (vgl. § 10 AStG Anm. 359). Tz. 9.0.2.1 AEAStG will dagegen die absolute Freigrenze auf die Summe der für eine ausländische Gesellschaft zu ermittelnden Hinzurechnungsbeträge beziehen, die ...