Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 22
Ermittlung der relativen Freigrenze nach deutschem Steuerrecht. Dazu ist die Feststellung von Bedeutung (vgl. Anm. 19), dass die Rechtsfolge des § 9 vor der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages ansetzt. Dennoch müssen die für die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages geltenden allgemeinen Grundsätze auch im Rahmen des § 9 Anwendung finden. Zu diesen Grundsätzen gehört, dass der Hinzurechnungsbetrag gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 nach den Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln ist. Dies gilt auch für die Ermittlung der relativen Freigrenze nach § 9. Dies folgt aus der Überlegung, dass nur die Anwendung von Ermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts eine dem Art. 3 GG entsprechende einheitliche Behandlung garantiert. Die Tatsache, dass § 9 "vor" § 10 Abs. 3 Satz 1 steht, ist demgegenüber ohne Bedeutung, weil es sich insoweit um eine technische Durchführungsbestimmung handelt, deren Stellung im Gesetz in das freie Ermessen des Gesetzgebers gestellt ist. Aus Gründen des Sachzusammenhanges wird man dabei die Anwendung deutschen Steuerrechts auch auf die Einkünfte aus aktivem Erwerb ausdehnen müssen, selbst wenn § 10 Abs. 3 Satz 1 insoweit keine Anwendung finden kann. Andernfalls würden die aktiven und passiven Bruttoerträge nicht gleich ermittelt, wovon jedoch § 9 erkennbar ausgeht.
Rz. 23
Ermittlung nach den Verhältnissen der Obergesellschaft. Die relative Freigrenze wird nur auf der Ebene der ausländischen Gesellschaft ermittelt. Der Ermittlung sind die Bruttoerträge der Obergesellschaft unabhängig davon zugrunde zu legen, welche Personen an der Obergesellschaft beteiligt sind. Selbst dann, wenn Steuerausländer oder Personen i.S. des § 2 an der Obergesellschaft beteiligt sind, sind dennoch alle Bruttoerträge der Freigrenzenberechnung zugrunde zu legen und nicht etwa nur die, die anteilig auf die Steuerinländer entfallen. Von der Bemessungsgrundlage der Freigrenze ist die Rechtsfolge des § 9 zu unterscheiden. Sie wirkt sich auf die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages aus und schlägt insoweit auf die Ebene des einzelnen an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Steuerinländers durch (vgl. § 10 AStG Anm. 63). Außerdem betrifft sie die "bei einer Gesellschaft hiernach außer Ansatz zu lassenden Beträge". In diesem Sinne wirkt sie nur gegenüber den an der Obergesellschaft gem. § 7 Abs. 1 beteiligten Steuerinländern.
Rz. 24
Zeitlicher Bezug des § 9. Die relative Freigrenze gem. § 9 ist für jedes Wirtschaftsjahr der ausländischen Zwischengesellschaft getrennt zu ermitteln. Maßgebend ist jeweils das Wirtschaftsjahr, in dem die Zwischengesellschaft niedrig besteuerte Zwischeneinkünfte erzielt. Es sind die Verhältnisse des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft zugrunde zu legen, für das die Zwischeneinkünfte nach deutschem Steuerrecht ermittelt werden. Dies folgt wiederum aus der Tatsache, dass die Rechtsfolge des § 9 bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages ansetzt (vgl. Anm. 18). Deshalb müssen die für die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages geltenden Grundsätze hier entsprechende Anwendung finden. Dazu gehört § 10 Abs. 3 Satz 1, der ua. auf § 4 a EStG verweist.
Rz. 25
Bruttoerträge. § 9 bezieht die relative Freigrenze auf die Bruttoerträge der ausländischen Gesellschaft. Die Begriffe "Bruttoertrag" und "Bruttobetrag" sind voneinander abzugrenzen. Unter Bruttoerträgen sind die Solleinnahmen ohne durchlaufende Posten und ohne eine gesondert ausgewiesene USt zu verstehen. Verdeckte Einlagen lösen keine Bruttoerträge i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1–7 aus (vgl. Anm. 13). Der Begriff versteht sich auch in § 9 vor Abzug jeglicher Unkosten. Vermögensminderungen und Aufwendungen bleiben außer Ansatz. Steuern, die nach § 10 Abs. 1 den Hinzurechnungsbetrag mindern, sind bei der Ermittlung des Bruttoertrages ebenfalls außer Ansatz zu lassen. Bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist auf die Einnahmen abzustellen. Die Vorschrift versteht den Begriff "Bruttoerträge" in dem Sinne, wie er auch in § 7 Abs. 6 Sätze 2 und 3, § 8 Abs. 1 Nr. 7 und § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 aF enthalten ist. Er ist in allen genannten Vorschriften einheitlich auszulegen. Deshalb ist die Berechnung nach § 9 für jede ausländische Gesellschaft i.S. des § 7 Abs. 1 getrennt vorzunehmen (vgl. Anm. 13). Auch für den Begriff "Bruttoerträge" ist es unerheblich, inwieweit Steuerin- oder -ausländer an der Zwischengesellschaft beteiligt sind. Mit anderen Worten können die Bruttoerträge nicht entsprechend den bestehenden Hinzurechnungsbeteiligungen gequotelt werden.
Beispiel
An einer ausländischen Gesellschaft ist der Steuerinländer A zu 60 vH und der Steuerausländer B zu 40 vH beteiligt. Die Gesellschaft erzielt Bruttoerträge von 1 000, davon 150 aus passivem Erwerb. Für die Ermittlung der relativen Freigrenze sind die 150 und nicht etwa 60 vH von 150 = 90 in Relation zu 1 000 zu setzen. Damit ist die relative Freigrenze überschritten.
Rz. 26