"Als Schuldner und Gläubiger gelten auch Betriebsstätten, die ertragsteuerlich als Nutzungsberechtigter oder Nutzungsverpflichteter der Rechte für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten behandelt werden."
a) Grundsätzliches
Rz. 129
Ausweitung des Schuldner- bzw. Gläubigerbegriffs auf Betriebsstätten. Gemäß § 4j Abs. 1 Satz 3 EStG gelten als Schuldner und Gläubiger auch Betriebsstätten, die ertragsteuerlich als Nutzungsberechtigter oder Nutzungsverpflichteter der Rechte für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten behandelt werden.
Rz. 130
Ausrichtung an Zins- und Lizenzgebühren Richtlinie sowie Vorgaben der OECD. Auf diese Weise bildet der Gesetzgeber nicht nur den Anwendungsbereich der Zins- und Lizenzgebühren Richtlinie ab, in deren Anwendungsbereich die Betriebsstätte ebenfalls als Nutzungsberechtigter und Zahlungsleistender behandelt wird, sondern folgt zudem den Vorgaben der OECD (Abschlussbericht 2015 Aktionspunkt 5, Abschn. 33).
Rz. 131
Relevanz von Zwischenschaltungsfällen. Die hierdurch bedingte Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs gilt angesichts der systematischen Stellung des § 4j Abs. 1 Satz 3 EStG auch für Zwischenschaltungsfälle i.S.d. § 4j Abs. 1 Satz 2 EStG. Obgleich auch Personengesellschaften ihren Gesellschaftern (anteilige) Betriebsstätten vermitteln, ist § 4j Abs. 1 Satz 3 EStG ausschließlich auf originäre Betriebsstätten anwendbar. Personengesellschaften unterliegen nämlich bereits dem Tatbestand des § 4j Abs. 1 Satz 1 EStG.
b) Erfasste Sachverhaltskonstellationen
Rz. 132
Katalog denkbarer Sachverhaltskonstellationen. § 4j Abs. 1 Satz 3 EStG normiert, dass zivilrechtlich unselbstständige Betriebsstätten eines Besteuerungssubjekts als Schuldner bzw. Gläubiger der Lizenzzahlungen angesehen werden können, so dass der unmittelbare Leistungsaustausch hinsichtlich der Rechteüberlassung auch unter Einschaltung mindestens einer Betriebsstätte möglich ist. Insoweit sind nachfolgende Sachverhaltskonstellationen zwingend vom Anwendungsbereich des § 4j Abs. 1 Satz 3 EStG erfasst:
- Der inländische Steuerpflichtige A leistet Lizenzzahlungen an eine ausländische Betriebsstätte einer ihm nahestehenden Person B i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG.
- Eine im Inland belegene Betriebsstätte des A leistet Lizenzzahlungen an eine im Ausland ansässige, ihm nahestehenden Person B i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG.
- Der Austausch der Lizenzzahlungen erfolgt zwischen der im Inland belegenen Betriebsstätte des A und der ausländischen Betriebsstätte der dem A i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG nahestehenden, ebenfalls im Ausland ansässigen Person B.
Rz. 133
Relevanz von Sachverhaltskonstellationen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte bzw. zwischen zwei Betriebsstätten. Demgegenüber wird nicht einheitlich beurteilt, ob auch die nachfolgenden Sachverhaltskonstellationen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte bzw. zwischen zwei Betriebsstätten vom Tatbestand des § 4j Abs. 1 Satz 3 EStG erfasst sind:
- Die inländische Betriebsstätte des A leistet Lizenzzahlungen an das Stammhaus A im Ausland.
- Der im Inland ansässige A unterhält Betriebsstätten im Inland (B) und Ausland (C). Zwischen B und C besteht ein Nutzungsüberlassungsvertrag über eine der C zugeordneten Lizenz. Aufgrund derer leistet B als Nutzungsberechtigter Lizenzzahlungen an C.
Rz. 134
Umstrittene Diskussion in Bezug auf Sachverhaltskonstellationen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte bzw. zwischen zwei Betriebsstätten. Zwar ließe sich für eine Einbeziehung auch letzterer Sachverhaltskonstellationen in den Anwendungsbereich des § 4j Abs. 1 Satz 3 EStG anführen, dass dieser Regelung andernfalls kein eigenständiger Regelungsgehalt zukomme, sondern lediglich eine klarstellende Funktion. Denn die drei erstgenannten Fallkonstellationen dürften bereits vom Grundtatbestand des § 4j Abs. 1 Satz 1 EStG erfasst sein. Ferner ist zu beachten, dass Betriebstätten in verschiedenen Jurisdiktionen ertragsteuerlich zwecks Abgrenzung der Gewinne grundsätzlich wie getrennte Rechtsträger behandelt werden. Hintergrund hierfür ist der mittels § 1 Abs. 5 AStG umgesetzte Authorised OECD Approach (AOA), der eine weitgehende Selbstständigkeitsfiktion von Betriebsstätten (Functionally Separate Entity Approach) vorsieht. Entsprechend heißt es in § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG: "Zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist eine Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, es sei denn, die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen erfordert eine andere Behandlung". Solcherart ist gemäß § 1 Abs. 6 AStG i.V.m. § 16 Abs. 1 BsGaV anerkannt, dass zwischen Betriebsstätte und Stammhaus mit steuerlicher Wirkung dem Fremdvergleichsgrundsatz genügende Rechtsgeschäfte – und damit auch Lizenzverträge – möglich sind. Wenn die beiden Betriebstätten in Kontext mit § 1 Abs. 5 AStG kraft besonderer Anordnung als Schuldner und Gläubiger gelten und so...