Prof. Dr. Jochen Lüdicke, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
a) Systematik
Rz. 731
Inhalt und Systematik. Die Sätze 2–6 des § 34 c Abs. 6 EStG sind Ausnahmeregelungen zu § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG und dem darin normierten Grundsatz der Verdrängung der innerstaatlichen Regelungen des § 34 c Abs. 1–3 EStG durch das DBA. Satz 2 regelt partiell die entsprechende Anwendbarkeit der innerstaatlichen Anrechnungsregelungen, soweit im DBA die Anrechnungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorgesehen ist. Der unübersichtlich gestaltete Satz 2 enthält dabei folgende drei Grundaussagen.
- 1. Teilsatz. Im ersten Teil des Satzes wird die entsprechende Anwendbarkeit der Regelungen über die Ermittlung der anzurechnenden Steuerbeträge bzw. alternativ der Abzug von der Bemessungsgrundlage (§ 34 c Abs. 1 Sätze 2–5 und Abs. 2 EStG) angeordnet. Dies bedeutet, dass die innerstaatlichen Regelungen regelmäßig die technische Umsetzung der DBA-Anrechnung darstellen, soweit das DBA selbst keine (abweichenden) Anrechnungsregelungen enthält (s. Anm. 732 ff.).
- 2. Teilsatz. Eine Ausnahme hierzu stellt der zweite Teil des Satzes dar, der die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Abgeltungssteuer unterliegen, vom Anwendungsbereich des 1. Teilsatzes ausnimmt (s. Anm. 756 f.).
- 3. Teilsatz. Eine weitere Rückausnahme ist im dritten Teil des Satzes geregelt, wonach § 34 c Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 EStG für fiktive ausländische Steuern nicht anwendbar ist (s. Anm. 758 ff.).
b) 1. Teilsatz
aa) Anrechnung oder Abzug
Rz. 732
Anrechnungsmethode vereinbart. Die Anwendbarkeit des § 34 c Abs. 6 Satz 2 EStG setzt zunächst voraus, dass im DBA als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechnungsmethode vorgesehen ist. Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden.
Rz. 733
DBA regelt Methode der Steueranrechnung selbst. Das DBA sieht die Steueranrechnung vor und enthält selbst Regelungen über die Durchführung der Anrechnung. In diesem Fall wird § 34 c Abs. 6 Satz 2 EStG insoweit verdrängt, als die innerstaatlichen Regelungen von den DBA-Regelungen abweichen, da die Anrechnungsregelungen des DBA nach § 2 AO grundsätzlich vorrangig und damit auch konkurrenzrechtlich als speziellere Regelung zu qualifizieren sind (s. Anm. 736). Zur wahlweisen Ermöglichung der Abzugsmethode durch den nationalen Gesetzgeber trotz Vorrang des DBA s. Anm. 749. Allerdings wird eine eigenständige Regelung der technischen Umsetzung der Steueranrechnung im DBA eher die Ausnahme sein, da Art. 23 B Abs. 1 bzw. Art. 23 A Abs. 2 OECD-MA lediglich die Steueranrechnung dem Grunde nach vorsehen und die auf dieser Grundlage abgeschlossenen deutschen DBA die Anrechnung folglich nicht näher bestimmen.
Rz. 734
DBA regelt Steueranrechnung nur dem Grunde nach. Der Regelfall in der deutschen Abkommenspraxis ist der, dass das DBA zwar die Steueranrechnung vorsieht, aber keine speziellen Regelungen zur Anrechnung enthält. Das DBA sieht folglich die Steueranrechnung nur dem Grunde nach vor und überlässt die technische Umsetzung dem nationalen Gesetzgeber. Dabei ist unerheblich, ob der Abkommenstext ausdrücklich auf die nationalen Anrechnungsvorschriften verweist oder sich die Anwendbarkeit der innerstaatlichen Anrechnungsvorschriften mangels eigener Regelungen im DBA durch Auslegung ergibt.
Rz. 735
frei
bb) Entsprechende Anwendung der nationalen Anrechnungsvorschriften
Rz. 736
Im Einklang mit dem Abkommen. Die mit § 34 c Abs. 6 Satz 2 EStG angeordnete entsprechende Anwendung des § 34 c Abs. 1 Sätze 2–5 und Abs. 2 EStG bedeutet, dass die unilateralen Regelungen über die Steueranrechnung zu den Regelungen des DBA ergänzend heranzuziehen sind. Allerdings sind die innerstaatlichen Regelungen gegenüber dem DBA als nachrangig zu qualifizieren, da der nationale Gesetzgeber mit der nur partiellen Verweisung auf § 34 c Abs. 1 EStG zum Ausdruck bringt, dass vorrangig die Voraussetzungen der Anrechnung dem Abkommensrecht und nicht § 34 c Abs. 1 Satz 1 EStG zu entnehmen sind. Folglich treten die innerstaatlichen Regelungen im Kollisionsfall hinter die DBA-Regelungen auf Konkurrenzebene zurück, soweit das DBA eigene Voraussetzungen über die Anrechnung enthält. Regelmäßig (s. Anm. 733 f.) ist in den von Deutschland geschlossenen DBA aber die Anrechnung nur dem Grunde nach geregelt, so dass § 34 c Abs. 6 Satz 2 EStG als wichtige Verweisnorm auf die innerstaatlichen Regelungen über die Steueranrechnung eigenständige Bedeutung zukommt.
Rz. 737
Kein Verweis auf Satz 1. Für die Steueranrechnung bei Anwendbarkeit eines DBA verweist § 34 c Abs. 6 Satz 2 EStG nur partiell auf Abs. 1. Die Voraussetzungen des § 34 c Abs. 1 Satz 1 EStG, der von der Verweisung nicht umfasst ist, sind daher bei der Anrechnung grundsätzlich nicht zu beachten. Etwas anderes gilt aber dann, soweit die Sätze 2 bis 5 ihrerseits wieder auf Satz 1 Bezug nehmen. Insoweit ist § 34 c Abs. 1 Satz 1 EStG jedenfalls mittelbar doch anwendbar.
Rz. 738
Höhe der anzure...