a) Betriebswirtschaftliche Sicht

... verlagert ...

 

Rz. 1146

[Autor/Stand] Betriebswirtschaftliche Sicht. Der im Gesetz verwendete Begriff der "Verlagerung" wurde weder in § 1 Abs. 3 Satz 9 a.F. definiert noch ist er im jetzigen § 1 Abs. 3b Satz 1 näher beschrieben. Klar ist insoweit nur, dass der Gesetzeswortlaut weder Funktionsverdoppelungen noch Funktionsvervielfältigungen erfassen will.[2] Denn das Gesetz spricht sowohl im alten wie auch im neuen Recht ausdrücklich jeweils von "verlagert". Stellt man mangels gesetzlicher Definition zur Definition des Verlagerungstatbestandes auf die betriebswirtschaftliche Sicht bzw. auf eine Auslegung nach dem Wortsinn ab, liegt eine grenzüberschreitende Funktionsverlagerung vor, wenn eine Funktion (Rz. 1128 ff.), die bisher im Inland ausgeübt wurde, zukünftig an einem anderen Standort im Ausland ausgeübt wird.[3] Die Verlagerung von Funktionen setzt demnach voraus, dass die entsprechende Funktion bereits vor der Verlagerung ausgeübt worden ist. Der Begriff der Funktionsverlagerung erfasst damit nicht die Kapazitätserweiterung. Ferner muss die Beendigung der Funktionsausübung am bisherigen Standort grundsätzlich in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der Funktionsausübung am neuen Standort stehen. Infolgedessen kann von einer Verlagerung von Funktionen nicht ausgegangen werden, wenn eine Funktion im Inland zunächst eingestellt und zu einem späteren Zeitpunkt im Ausland von neuem aufgenommen wird (vgl. indessen § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV 2022; dazu näher Rz. 1185). Der Begriff der "Verlagerung" impliziert damit nicht nur, dass eine bislang im Inland wahrgenommene Funktion zukünftig im Ausland ausgeübt wird; vielmehr ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch erforderlich, dass die ursprüngliche Tätigkeit im Inland eingestellt wird. Eine Verlagerung erfordert also, dass eine bereits vorhandene Tätigkeit vollständig an einem neuen Ort ausgeübt wird.[4]

b) Verlagerungsbegriff nach der FVerlV 2008

 

Rz. 1147

[Autor/Stand] Definition der "Verlagerung" gem. § 1 Abs. 2 FVerlV 2008. Für Verlagerungsvorgänge, die vor Geltung der novellierten FVerlV 2022 (VZ, die nach dem 31.12.2021 beginnen) realisiert wurden, ist weiter der Verlagerungsbegriff maßgebend, wie er in der FVerlV 2008 niedergelegt war. Danach liegt eine Funktionsverlagerung vor, wenn "ein Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) einem anderen, nahe stehenden Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird" (§ 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV 2008).

 

Rz. 1148

[Autor/Stand] Einstellung bzw. Einschränkung der Funktion. Nach dem Verlagerungsbegriff gemäß § 1 Abs. 2 FVerlV 2008 muss die in das Ausland "verlagerte" Funktion beim inländischen Unternehmen eingestellt oder zumindest eingeschränkt werden.[7] Während der Begriff des "Einstellens" insofern eindeutig ist, als damit die Aufgabe der entsprechenden Funktion im Inland gemeint ist, ist die Auslegung des Begriffs "einschränken" problematisch. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der Begriff der Einschränkung einer Funktion tätigkeitsbezogen oder produktbezogen auszulegen ist. Die Finanzverwaltung geht insoweit von einem rein produktbezogenen Begriffsverständnis aus. Diese Auffassung ist abzulehnen, da sie durch den Gesetzestext nicht gedeckt ist (Rz. 1138). Überdies wird durch BFH betont, dass die Funktion ein organischer Teil eines Unternehmens ist, der von einer gewissen Eigenständigkeit geprägt ist. Weiter führt der BFH aus, dass bei der Funktionsverlagerungsbesteuerungsbesteuerung danach zu fragen ist, ob ein fremder Dritter bereit gewesen wäre, für das inländische Steuersubstrat (Funktion als Ganzes) ein Entgelt zu zahlen.[8] § 1 Abs. 3 Satz 9 a.F. ist demnach von dem Verständnis geprägt, dass eine Funktion als Ganzes Gegenstand der Verlagerung ist. Soweit § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV 2008 eine "Verlagerung" bereits mit einer Einschränkung der Funktion beim inländischen Unternehmen annimmt, während der Gesetzeswortlaut von einer Einstellung der Funktion im Inland ausgeht, verlässt die FVerlV 2008 ihren Ermächtigungsrahmen und ist insoweit ohne Rechtsgrundlage.

 

Rz. 1149

[Autor/Stand] Qualitative Auslegung der Einschränkung einer Funktion. Was konkret unter einer "Einschränkung" der Funktionen beim inländischen Unternehmen zu verstehen ist, lässt § 1 Abs. 2 FVerlV 2008 offen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll es im Hinblick auf eine Funktionseinschränkung im Inland qualitativ nicht darauf ankommen, ob das übernehmende Unternehmen mit den übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgütern die Funktion in gleicher Weise wie das verlagernde Unternehmen ausübt.[10] Diese Aussage ist insofern nicht sachgerecht, als d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge