Rz. 1179

[Autor/Stand] Vermeidung eines Missbrauchs gem. § 1 Abs. 5 FVerlV 2022. Im ersten Entwurf der FVerlV vom Juni 2007 wurden auch sog. Funktionsverdoppelungen als Funktionsverlagerungen i.S.d. § 1 Abs. 3b Satz 1 eingestuft.[2] Von einer Funktionsverdoppelung wird dann gesprochen, wenn eine Funktion bei einem ausländischen verbundenen Unternehmen (neu und zusätzlich) aufgebaut und die bereits im Inland bestehende, vergleichbare Funktion weder eingestellt noch eingeschränkt wird.[3] Die im Entwurf der FVerlV 2008 vorgesehene Regelung zur Besteuerung von Funktionsverdoppelungen war heftig umstritten und wurde in der endgültigen Fassung der FVerlV 2008 gestrichen. Stattdessen wurde in § 1 Abs. 6 Satz 1 FVerlV 2008 klargestellt, dass eine Funktionsverlagerung nicht vorliegt, wenn es innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion durch das ausländische verbundene Unternehmen zu keiner Einschränkung der Funktion durch das inländische Unternehmen kommt. Diese Regelung ist auch in der Neufassung der Funktionsverlagerungsverordnung erhalten geblieben und findet sich nun in § 1 Abs. 5 Satz 1 FVerlV 2022. Die Regelung dient letztlich der Vermeidung eines Missbrauchs im Hinblick auf sukzessive, d.h. sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckende Funktionsverlagerungen.[4] Gleichwohl wird die Fünfjahresfrist in der Literatur oft als zu lange erachtet, da Unternehmen gezwungen werden, unrentable Funktionen, die sie parallel auch im Ausland betreiben, über mehrere Jahre aufrechtzuerhalten, nur um die Besteuerung des Transferpakets zu vermeiden.[5]

 

Rz. 1180

[Autor/Stand] Fehlende Definition der "Einschränkung" in der FVerlV. Nach den Regelungen der FVerlV 2008/2022 soll eine Funktionsverdoppelung final erst dann vorliegen, wenn eine Funktionseinschränkung beim inländischen Unternehmen innerhalb einer Fünf-Jahres-Frist nicht zu verzeichnen ist. In welchen Fällen von einer "Einschränkung" der inländischen Funktion auszugehen ist, lässt die FVerlV 2008/2022 offen. Die Begr. zu § 1 Abs. 6 FVerlV 2008 erwähnt lediglich, dass Funktionsverdoppelungen, die zu einer geringfügigen oder zeitlich begrenzten Einschränkung der betreffenden Funktion beim inländischen Unternehmen führen (sog. Bagatellfälle), unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV 2008 nicht von der Funktionsverlagerungsbesteuerung erfasst werden sollen.[7] Dies allerdings nur dann, wenn der Vorgang auch unter fremden Dritten nicht als Veräußerung oder Verlagerung einer Funktion angesehen werden würde.[8] Die korrekte Ausgestaltung dieser Bagatellregelung stellt der Verordnungsgeber den VWG-Funktionsverlagerung anheim (Rz. 1181).

 

Rz. 1181

[Autor/Stand] Bagatellgrenze gemäß den VWG-Funktionsverlagerung 2010. Nach den VWG-Funktionsverlagerung ist die Frage der Einschränkung einer Funktion im Zusammenhang mit der Beurteilung von Funktionsverdoppelungen nach dem Umsatz zu beurteilen.[10] Gemäß Rz. 49 VWG-Funktionsverlagerung ist eine Funktionseinschränkung nicht mehr nur geringfügig, sondern erheblich, "wenn der Umsatz aus der Funktion, den das ursprünglich tätige Unternehmen i.S.d. § 1 Abs. 2 FVerlV im letzten vollen Wirtschaftsjahr vor der Funktionsänderung erzielt hat, innerhalb des Fünfjahreszeitraums i.S.d. § 1 Abs. 6 FVerlV in einem Wirtschaftsjahr um mehr als 1.000.000 EUR absinkt". Ein Unterschreiten dieser Bagatellgrenze in einem Wirtschaftsjahr führt ungeachtet der Umsatzentwicklung in vorangehenden oder nachfolgenden Wirtschaftsjahren zwingend zur Annahme einer Funktionsverlagerung. Indessen ist es nicht sachgerecht, wenn allein auf den Umsatz als den entscheidenden Indikator abgestellt wird und zudem nicht nach der Größe des Unternehmens und seiner Umsätze unterschieden wird. Im Übrigen führt dies dazu, dass die Finanzverwaltung den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 6 FVerlV 2008 einschränkt. Mithin geht die Finanzverwaltung bei Funktionsverdoppelungen bei entsprechender Umsatzentwicklung innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums (Umsatzrückgang im Inland verbunden mit einem korrespondierenden Umsatzanstieg im Ausland) häufig von Funktionsverlagerungen aus. Dies ist insofern nicht sachgerecht, als Funktionsverdoppelungen bereits durch den Wortlaut des § 1 Abs. 3b Satz 1 nicht gedeckt sind. Zu Recht beurteilen daher auch Vertreter der Finanzverwaltung die Anwendung des § 1 Abs. 3b bei Funktionsverdoppelungen als äußerst kritisch.[11] Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil die Besteuerung von Funktionsverdoppelungen nicht im Einklang mit dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 6 FVerlV 2008 bzw. § 1 Abs. 5 FVerlV 2022 steht, wonach Funktionsverdoppelungen nur in absoluten Ausnahmefällen besteuert werden sollen. Die Regelung ist ferner nicht praktikabel und zu pauschal, da es nicht darauf ankommt, ob die Umsätze eines Unternehmens 3 Mio. EUR oder 100 Mio. EUR betragen haben.[12] Eine zusätzliche relative Bagatellgrenze könnte an dieser Stelle eine Verbesserung bewirken.

 

Rz. 1182

[Autor/Stand] Keine Bagatellgrenze in den VWG VP 2023...

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