Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise Einkünftekorrektur

Die neuen Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise des BMF vom Juni 2021 sind vollumfänglich auf alle noch offenen Betriebsprüfungen anzuwenden. Deshalb lohnt sich ein kritischer Blick auf die Änderungen: Wie ist die Neuveröffentlichung in den Kontext der Verrechnungspreisregelungen einzuordnen? Wie können die Inhalte des ersten Kapitels interpretiert werden?

Überblick

Am 14. Juli 2021 hat das BMF seine, im Hinblick auf die 2017 neu gefassten OECD-Verrechnungspreisleitlinien (OECD-VPLL) als Ausfluss des BEPS-Aktionsplans, längst überfälligen neuen Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise (VWG VP) veröffentlicht. Diese lösen dabei eine Reihe BMF-Schreiben seit 1983 ab. Dazu gehören unter anderem die Verwaltungsgrundsätze-Verfahren aus 2005, die sich schwerpunktmäßig mit Dokumentationsfragen, wie der Mitwirkungspflicht und der Schätzung der Grundlagen der Besteuerung mit Zuschlägen befassten. Zusätzlich äußert sich das BMF mit seinem Schreiben zu den kürzlich veröffentlichten Gesetzesanpassungen im Bereich der Verrechnungspreise durch das ATAD-Umsetzungsgesetz (ATADUmsG) und vor allem durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG). Wichtig zu erwähnen ist, dass das Schreiben vollumfänglich auf noch offene Betriebsprüfungen anzuwenden ist, wodurch den VWG VP eine hohe praktische Relevanz zugeschrieben wird.

Hier findet sich ein Widerspruch im Hinblick auf das Inkrafttreten der Gesetzesanpassungen des ATADUmsG und des AbzStEntModG. Diese sind erst für den Veranlagungszeitraum 2022 anzuwenden. Nicht zuletzt deswegen kann für Beanstandungen vor dem Veranlagungszeitraum 2022 das Einlegen von Rechtsmitteln in Betracht gezogen werden. 

Eine Bindungswirkung für Steuerpflichtige besteht aufgrund des BMF Schreibens für Unternehmen und Gerichte nicht, jedoch kann damit die einheitliche Vorgehensweise der Finanzverwaltung besser eingeschätzt werden.

Dies ist der erste Teil einer Reihe von Artikeln, in welchen wir verschiedene Aspekte der neuen VWG VP beleuchten werden.

Kapitel I Grundsätze der Einkünftekorrektur

Im ersten Kapitel befasst sich das BMF Schreiben mit den Grundsätzen zur Einkünftekorrektur, dem Konkurrenzverhältnis zu anderen Korrekturvorschriften (Tz.1.1-1.6), Konkurrenz zur Hinzurechnungsbesteuerung (Tz. 1.7-1.8), der Ausweitung des Begriffs der Nahestehenden Personen (Tz. 1.9-1.15) und zuletzt mit Geschäftsbeziehungen (Tz. 1.16-1.23).

A. Regelungen zur Einkünftekorrektur und Konkurrenzverhältnis (Tz. 1.1 ff.)

Im Hinblick auf die Grundsätze zur Einkünftekorrektur macht das BMF deutlich, dass seines Erachtens hinsichtlich der Anwendung von § 1 AStG oder einer daneben anwendbaren Einkünftekorrekturvorschrift kein Wahlrecht bestehe. Im Grunde soll § 1 AStG nur insofern als Auffangtatbestand dienen, wenn keine inhaltsgleiche Einkünftekorrektur über eine andere Norm durchgeführt werden kann. Damit dürften in zukünftigen Betriebsprüfungen die Fälle der Mediankorrektur in zwei Stufen deutlich zunehmen: Bei Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung erfolgt dabei in der ersten Stufe eine Korrektur auf das für den Steuerpflichtigen günstige Ende der interquartilen Bandbreite sowie in der zweiten Stufe dann auf den Median der Bandbreite gem. § 1 Abs. 3 S.4 AStG. Damit entfällt der Vorteil fehlender kapitalertragssteuerlicher Implikationen einer einfachen Korrektur nach § 1 AStG.

In Tz. 1.5 erweitert das BMF die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auch auf den Grund und die weiteren Bedingungen einer Geschäftsbeziehung und nicht allein auf die Korrektur eines Verrechnungspreises. Sollte es demnach zu einer Ablehnung einer Geschäftsbeziehung dem Grunde nach durch die Finanzverwaltung kommen, sollten hohe Anforderungen für die Erbringungen von Nachweisen auf Seiten der Finanzverwaltung gelten, um ihren scheinbar beabsichtigten Einfluss auf die Vertragsfreiheit des Steuerpflichtigen einzuschränken. Ergänzend hierzu sollte erwähnt werden, dass unserer Ansicht nach bei einer sinngemäßen Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes der Begriff „Korrektur“ durch den Begriff „Höhe“ ersetzt werden sollte. Dies hätte zur Folge, dass die Anweisung für die Betriebsprüfer sowohl eine vollumfängliche Prüfung des Grundes als auch einzelner Bedingungen der Geschäftsbeziehung umfassen würde. Einzelne Bedingungen sowie der tatsächlich vereinbarte Preis können hierbei im Gegensatz zu den steuerlichen Verrechnungspreisen bzw. dem steuerlichen Ergebnis nicht seitens der Finanzverwaltung korrigiert werden. 

Weiterhin findet sich in Tz. 1.6 eine Unklarheit darüber, auf welche Konstellationen mit der Formulierung „Fällen der Interessenverflechtung, die in den DBA nicht genannt sind“ Bezug genommen wird. Dabei scheint es nicht ersichtlich, ob die Korrekturfähigkeit von Konstellationen, welche nicht Gegenstand der DBA sind, überhaupt gegeben ist.

B. Konkurrenz zur Hinzurechnungsbesteuerung (Tz 1.7 f.)

Des Weiteren enthalten die VWG VP – im Gegensatz zu den VWG 1983 – Hinweise zum Verhältnis von § 1 AStG zu den Regeln der Hinzurechnungsbesteuerung. Dabei greift das BMF die BFH-Rechtsprechung auf und erörtert anhand eines Beispiels, wie eine Doppelbesteuerung – entstanden durch die Kombination von § 1 und §§ 7 ff. AStG – mithilfe einer fiktiven korrespondierenden Gegenberichtigung beseitigt werden kann.

C. Nahestehende Personen (Tz. 1.9 ff.)

In Tz. 1.13 f. versucht das BMF seinem Wunsch, sog. Netzwerkgesellschaften in den Anwendungsbereich von §1 Abs. 2 AStG in den Kreis der nahestehenden Personen einzubeziehen, letztendlich nachzukommen – jedoch ohne Gesetzesgrundlage. Demnach gelten unseres Erachtens unverändert die allgemein gültigen Regelungen. Nach diesen ist die Finanzverwaltung im Einzelfall nachweispflichtig für ein „Nahestehen“. Es ist abzuwarten, ob die Finanzverwaltung in Zukunft versuchen wird, lediglich internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 AStG zu integrieren. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn in die VWG VP, welche den § 319b HGB zitieren, der sich nur auf Wirtschaftsprüfer bezieht und damit eine analoge Anwendung auf andere Berufe im Bereich der Eingriffsverwaltung kaum möglich macht, ein Beispielfall aufgenommen worden wäre.

Vor diesem Hintergrund erachten wir es für sinnvoll, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der Definition des Netzwerkbegriffs in Tz 1.14 erfolgt. Für Steuerabteilungen gilt es zu prüfen, ob und in welchem Umfang der Steuerpflichtige mit Gesellschaften außerhalb des Konzerns über einen längeren Zeitraum zusammengewirkt hat, um gemeinsame wirtschaftliche Interessen zu erreichen.

D. Geschäftsbeziehung (Tz 1.16 ff.)

In den Abschnitten Tz. 1.16 ff. werden unterschiedliche Formen der Geschäftsbeziehungen thematisiert. Tz 1.22 f. wurde aufgenommen, um die Rechtsprechungsänderung zur Sperrwirkung nachzuvollziehen. Aus ehemaliger Sicht des BFH beschränkte sich der abkommensrechtliche Fremdvergleichsgrundsatz auf eine reine Preisberichtigung. Dies wurde vom BFH (BFH Urteil vom 27.02.2019 - I R 73/16) jedoch aufgehoben. In Antwort darauf statuieren die VWG VP 2021, dass auch weitere vereinbarte Bedingungen der Geschäftsbeziehung nach § 1 AStG sowohl Gegenstand der Prüfung sind als auch eine Begründung für die Korrektur eines Verrechnungspreises liefern können. Besonders hervorzuheben ist in diesem Kontext der anschließende Hinweis des BMF darauf, dass jedoch die Fremdunüblichkeit einer einzelnen Bedingung nicht dazu führt, dass die Geschäftsbeziehung als fremdunüblich angesehen wird, sondern vielmehr die gesamten Umstände für die Frage der Fremdunüblichkeit einer Geschäftsbeziehung ausschlaggebend sind.

Ausblick

In nachfolgenden Artikeln werden die Bedeutung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien (Kapitel II) und weitere Leitlinien (Kapitel III) der VWG VP genauer betrachtet sowie ein abschließendes Fazit gezogen (Kapitel IV).

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