Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 760
Regelungszweck. Eine Niedrigbesteuerung i.S. von § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 soll gem. § 8 Abs. 3 Satz 3 auch dann vorliegen, wenn ausländische Ertragsteuern von mindestens 25 Prozent zwar rechtlich geschuldet, jedoch tatsächlich nicht erhoben werden. Insoweit wird zunächst auf die zu § 8 Abs. 3 Satz 1 geltenden Grundsätze Bezug genommen (vgl. Anm. 706 ff.). Die Regelung in Satz 3 muss vor dem Hintergrund der Entscheidung des BFH v. 9.7.2003 gesehen werden. Der I. Senat hatte dort entschieden, dass es für die "Anwendung des § 8 Abs. 3 nicht auf die tatsächlich erhobene ausländische Steuer, sondern – zumindest im Grundsatz – auf diejenige Steuer abzustellen (ist), die das Recht des betreffenden ausländischen Staates für die Einkünfte vorsieht." Der Gesetzgeber sah in dieser Auslegung durch den BFH offensichtlich die Gefahr von Manipulationen durch den Stpfl. zB dergestalt, dass eine ausländische Gesellschaft zwar in einem Hochsteuerstaat ansässig ist, sich aber durch Steuerhinterziehung der tatsächlichen Besteuerung im Ausland entzieht. Nach der Rspr. des BFH wäre eine solche Steuerhinterziehung für Zwecke der §§ 7 bis 14 unschädlich, weil es nicht Anliegen der Hinzurechnungsbesteuerung ist, eine im Ausland zwar rechtlich geschuldete, aber tatsächlich nicht erhobene Steuer nachzuerheben. Mit § 8 Abs. 3 Satz 3 hat der Gesetzgeber diesen Zweck nunmehr in die §§ 7–14 aufgenommen. Man mag das bedauern. Genau genommen liegt das aber auf der zunehmend protektionistischeren Haltung des deutschen Steuergesetzgebers, wie sie zB in § 50 d Abs. 9 EStG idF des JStG 2007 zum Ausdruck kommt.
Rz. 761
Ertragsteuern von mindestens 25 Prozent rechtlich geschuldet. Voraussetzung von § 8 Abs. 3 Satz 3 ist, dass ausländische Ertragsteuern von mindestens 25 Prozent rechtlich geschuldet werden. Daraus folgt zunächst, dass derjenige Fall nicht von § 8 Abs. 3 Satz 3 erfasst ist, in dem eine Steuer von weniger als 25 Prozent rechtlich geschuldet ist, tatsächlich aber eine Steuer von mehr (oder weniger) als 25 Prozent erhoben wird. Die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 3 hat damit keinerlei Auswirkungen auf die an anderer Stelle (vgl. Anm. 731) diskutierte Frage sog. "freiwilliger Steuerzahlungen". Unter rechtlich geschuldeten Steuern scheint der Gesetzgeber ferner die nach dem materiellen ausländischen Steuergesetz vorgesehene Ertragsteuerbelastung zu verstehen. Dies entspräche zumindest dem Gedanken des § 38 AO, wonach Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die nach § 8 Abs. 3 Satz 3 rechtlich geschuldete Steuer stellt dabei lediglich auf die Verwirklichung des ausländischen Steuertatbestandes ab.
Rz. 762
Tatsächlich nicht erhoben. Eine Niedrigbesteuerung i.S. von § 8 Abs. 1 liegt vor, wenn eine ausländische Ertragsteuer von mindestens 25 Prozent i.S. von Anm. 761 zwar rechtlich geschuldet ist, aber tatsächlich nicht erhoben wird. Mit dem Begriff "erhoben" nimmt das Gesetz Bezug auf das in §§ 218 ff. AO geregelte Erhebungsverfahren. Danach ist Voraussetzung für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, dass die Schuld insbesondere in einem Steuerbescheid konkretisiert wird (Steuerfestsetzung). § 8 Abs. 3 Satz 3 stört sich deshalb in erster Linie daran, dass der Tatbestand des ausländischen Steuergesetzes zwar verwirklicht ist (= allgemeiner Anspruch aus Steuerschuldverhältnis), jedoch eine Grundlage für die Verwirklichung des Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis fehlt, weil der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nicht durch Steuerbescheid festgesetzt wird (= konkretisierter Anspruch aus Steuerschuldverhältnis). Die Hinzurechnungsbesteuerung kann damit nicht durch solche ausländischen Besteuerungsregime unterlaufen werden, die auf dem Papier zwar eine hohe Besteuerung vorsehen, aber diese Besteuerung keinen Niederschlag in entsprechenden Steuerbescheiden findet. Sinkt die tatsächlich erhobene Ertragsteuerbelastung dadurch unter 25 Prozent, so liegt eine Niedrigbesteuerung vor.
Rz. 763
Erhebung und Zahlung. Eine weitere Frage ist die, ob zur Erhebung der Steuer auch deren Zahlung gehört. Es spricht viel dafür, diese Frage bereits aus systematischen Gründen zu bejahen. Denn § 8 Abs. 3 Satz 3 nimmt mit dem Begriff "erhoben" auf das in §§ 218 ff. AO geregelte Erhebungsverfahren Bezug. Dann gehört dazu auch die Zahlung. In teleologischer Hinsicht spricht für diese Sicht, dass § 8 Abs. 3 Satz 3 leicht dadurch umgangen werden könnte, dass der ausländische Fiskus zwar regelgerecht einen Steuerbescheid erlässt, der Stpfl. und der Fiskus aber übereinstimmend (besser: in kollusivem Zusammenwirken) davon ausgehen, dass die Steuerzahlung nie durchgesetzt wird. Auch der ausländische Gesetzgeber könnte sich daran beteiligen, indem er als Steuervergünstigung den Verzicht auf die Zahlung ermöglicht, ohne den Steuerbescheid zu berühren. Dennoch macht die früher in...