Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 7
Zeitliche Anwendung. § 20 Abs. 2 wurde durch Art. 11 Nr. 7 des StVergAbG neu gefasst. Die geänderte Vorschrift ist gem. § 21 Abs. 11 Satz 2 erstmals für einen Veranlagungszeitraum anzuwenden, in dem Einkünfte anfallen, die in einem Wirtschaftsjahr der ausländischen Betriebsstätte entstanden sind, das nach dem 31.12.2002 beginnt. Bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr der Betriebsstätte werden deshalb erstmals die Einkünfte des Wirtschaftsjahres 2003 erfasst, bei abweichendem Wirtschaftsjahr entsprechend später.
Rz. 8
Regelungshintergrund. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 i.d.F. des StÄndG 1992 war lediglich für die in einer ausländischen Betriebsstätte angefallenen Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter ein Übergang von der Freistellung zur Anrechnung vorgesehen (vgl. Anm. 2). § 20 Abs. 2 Satz 2 i.d.F. des UntStFG beschränkte diesen Übergang auf 60 v.H. dieser Einkünfte (vgl. Anm. 5). Mit dem UntStFG wurden beide Beschränkungen aufgehoben. Der Übergang von der Freistellung zur Anrechnung gilt jetzt für sämtliche niedrig besteuerten passiven Einkünfte der ausländischen Betriebsstätte. Die Aufhebung ist konsequent. Denn durch den ebenfalls im Rahmen des StVergAbG bewirkten Wegfall von § 10 Abs. 5 ist der Abkommensschutz für sämtliche Zwischeneinkünfte ausländischer Kapitalgesellschaften beseitigt worden, weshalb für eine Beschränkung des "switch over" in § 20 Abs. 2 auf Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter keine sachliche Begründung mehr bestand. Ganz im Gegenteil, die Ausdehnung des § 20 Abs. 2 auf sämtliche Zwischeneinkünfte ausländischer Betriebsstätten gewährleistet für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer eine weitestgehende Angleichung der Belastungssituation von ausländischen Betriebsstätten einerseits und ausländischen Kapitalgesellschaften andererseits. Jedenfalls galt dies bis zur Herabsetzung des dt. Körperschaftsteuersatzes auf 15 v.H., ohne die Niedrigsteuergrenze des § 8 Abs. 3 ebenfalls anzupassen. Denn dadurch drohen bei einem ausländischen Steuerniveau von mehr als 15 v.H. aufgrund der fehlenden Anrechnung der ausländischen Steuer auf die Gewerbesteuer erhebliche Anrechnungsüberhänge. Die Aufhebung des § 10 Abs. 5 a.F. selbst ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die §§ 7–14 aufgrund des Vorranges der DBA-Freistellung und der fehlenden Bereitschaft der dt. Abkommenspartner zur Aufnahme von Aktivitätsvorbehalten weitgehend leergelaufen sind. Lediglich der schlecht beratene Stpfl. entrichtet tatsächlich Steuern als Folge der Hinzurechnungsbesteuerung. Den Gesetzgeber störte diese geringe Effektivität der §§ 7–14 insbes. mit Blick auf den zunehmend aggressiver werdenden Wettbewerb der Steuersysteme und dem damit verbundenen Verlust an Steuersubstrat. So findet sich in der Gesetzesbegründung der Hinweis, dass § 10 Abs. 5 a.F. "heute die konsequente Durchsetzung der Ziele der Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zu den wenigen Ländern [behindert], die sich in bestimmten Bereichen für Ausländer als Gebiete mit Vorzugsteuersätzen anbieten und damit potenziell unfairen Steuerwettbewerb betreiben und hierfür besonders die DBA mit der Bundesrepublik Dtl. nutzen können, die für Beteiligungserträge, soweit eine Mindestbeteiligung gegeben ist, uneingeschränkte Steuerfreistellung anordnen". Vor diesem Hintergrund führt die Gesetzesbegründung weiter aus, dass "sich die Bundesrepublik Deutschland sowohl in der EU als auch in der OECD dem Vorwurf unfairen Steuerwettbewerbs aussetzen [würde], wenn sie Beteiligungserträge gem. § 8 b Abs. 1 KStG uneingeschränkt freistellte und für den Fall der niedrigen Besteuerung der Beteiligungserträge, soweit sie nicht aus aktiver Betätigung stammen, keine Ausgleichsmaßnahme zur Verfügung hätte, wie sie die Hinzurechnungsbesteuerung darstellt." In der Tat haben die OECD und Vertreter im internationalen Schrifttum die Einführung von "Controlled Foreign Company" Regeln wie die §§ 7–14 gefordert, um schädlichen Wettbewerbshandlungen einzelner Staaten zu begegnen. Allerdings übersieht der dt. Gesetzgeber, dass die §§ 7–14 nicht nur die beschriebenen präferenziellen Steuervergünstigungen zu neutralisieren suchen, sondern sich an einem allgemeinen Steuergefälle für bestimmte Tätigkeiten stören. Es ist kaum anzunehmen, dass den Verfassern des StVergAbG diese Differenzierung verborgen geblieben ist. Man kann deshalb nur vermuten, dass mit der Abschaffung von § 10 Abs. 5 a.F. weniger das hehre Ziel der (effektiven) Bekämpfung schädlichen Steuerwettbewerbs als vielmehr eine Erhöhung des dt. Steueraufkommens intendiert war.