Rz. 66

[Autor/Stand] Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist offensichtlich, dass Stifter sowie Bezugs- und Anfallsberechtigte ausländischer Stiftungen durch § 15 stärker belastet werden als sie es würden, wenn sie in einem nämlichen Rechtsverhältnis zu einer inländischen Stiftung stünden. Diese Ungleichbehandlung muss sich an Art. 3 Abs. 1 GG messen lassen. Ausgangspunkt ist dabei die Grundentscheidung des Steuerrechts, das Trennungsprinzip aus dem Zivilrecht zu übernehmen und Kapitalgesellschaften mit ihrem Vermögen und Einkünften als Träger einer eigenen Leistungsfähigkeit als gegenüber ihren Gesellschaftern verselbständigt zu behandeln.[2] Eine Durchbrechung dieses Trennungsprinzips bedarf somit einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wendet einen stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab an. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an den Sachgrund, die vom bloßen Willkürverbot bis zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen.[3] Aus betroffenen Freiheitsrechten kann sich eine strengere Bindung des Gesetzgebers ergeben. Zusätzlich verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern.[4] Das bloße fiskalische Interesse an der Erzielung von Steuereinnahmen genügt in keinem Fall.[5] Auf der Grundlage dieser Auslegung von Art. 3 GG hängt die Vereinbarkeit von § 15 mit dem Gleichheitssatz maßgeblich davon ab, welche Anforderungen man an den Sachgrund stellt.

 

Rz. 67

[Autor/Stand] Gleichheitssatz als bloßes Willkürverbot. Dem schlichten Willkürverbot dürfte § 15 (gerade noch) standhalten. Denn auch wenn die Vorschrift weit über ihr Ziel hinausschießt, Steuerflucht und Steuervermeidung zu bekämpfen, so verfehlt sie diesen Zweck doch nicht vollständig. Es erscheint noch vertretbar anzunehmen, dass der Gesetzgeber – anders als etwa bei § 8c Abs. 1 KStG a.F.[7], bei der Pendlerpauschale[8] oder beim Abzugsverbot für Aufwand des häuslichen Arbeitszimmers[9] – bei der Zurechnung zum Stifter keinen atypischen Fall zum gesetzlichen Leitbild erhoben hat.[10] Er ist derjenige, der die getroffene Gestaltung wählte, und i.d.R. stammt das Einkommen aus dem Vermögen, das der Stifter an die ausländische Familienstiftung übertragen hat; ohne die Gestaltung würde er die Einkünfte persönlich erzielen. Wohl vor dem Hintergrund dieser Überlegungen hat der BFH in seinem Urteil v. 5.11.1992[11] die Zurechnung des Einkommens der ausländischen Familienstiftung zu dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter für verfassungsgemäß erklärt. Aber auch darüber hinaus hält die Rechtsprechung des BFH die Zurechnung zu Bezugs- und Anfallsberechtigten für mit dem Gleichheitssatz vereinbar[12], und zwar selbst dann, wenn der Stifter zur Zeit der Errichtung nicht unbeschränkt steuerpflichtig war.[13] Dies fordert zur Kritik heraus: Eine vielfach kritisierte[14] Zurechnung beim Stifter, die auch ohne Bezugs- oder Anfallsberechtigung des Stifters eintritt, erscheint übergriffig, aber – da dies im tatsächlichen ein atypischer Fall sein dürfte, ggf. noch nicht willkürlich. In Bezug auf die Rechtsfolgen für Anfalls- und Bezugsberechtigte bestehen jedoch Zweifel daran, dass die Anordnung einer Zurechnung, die stets und uneingeschränkt eintritt, sobald der Stifter nicht selbst unbeschränkt Steuerpflichtigen ist, tatsächlich noch den typischen, mit einem Missbrauchsvorwurf behafteten Lebenssachverhalt zum Leitbild hat. Außerdem hat die Rechtsprechung bislang – gerade auch hinsichtlich der Zurechnung von Einkünften zum Stifter – dem Quervergleich zur Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff.) nicht hinreichend Beachtung geschenkt: Es lässt sich schwerlich ein sachlicher Grund dafür finden, dass eine Zurechnung von Einkünften ausländischer Familienstiftungen unter geringeren Voraussetzungen möglich ist als die Hinzurechnung von Einkünften ausländischer Kapitalgesellschaften. Denn das Ergebnis der Verlagerung von Einkünften auf die ausländische juristische Person ist jeweils das gleiche, jedenfalls solange, wie eine VSt nicht existiert oder zumindest nicht erhoben wird. Eine Legitimation für diese Differenzierung zwischen Stiftung und Körperschaft ist insbesondere nicht darin zu finden, dass bei Zwischenschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft – anders als bei der ausländischen Familienstiftung – der Gewinn des inländischen Zurechnungsadressaten aus der Veräußerung der Anteile dem deutschen Steuerzugriff unterliegt. Denn die Steuer auf Veräußerungsgewinne bildet für den Fiskus keine Kompensation dafür, dass die Einkünfte ausländischer Kapitalgesellschaften, welche die Bedingungen des § 8 Abs. 1 und 2 nicht erfüllen, außerhalb seiner Reichweite liegen. Di...

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