Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 171
Allgemeines. Einkünfte aus Dienstleistungstätigkeiten sind grundsätzlich unschädlich i.S. der Hinzurechnungsbesteuerung. Wie schon zuvor in Nr. 4 erfährt dieser Grundsatz durch eine komplizierte Ausnahmeregelung wesentliche Durchbrechungen. Der Begriff der Dienstleistung ist als solcher dem System des deutschen Einkommensteuerrechts unbekannt. Dienstleistungstätigkeiten sind sowohl im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb als auch vor allem bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit zu finden. Zwar gehört auch die nichtselbständige Arbeit zum Dienstleistungsbereich. Jedoch kann eine ausländische Gesellschaft keine nichtselbständige Arbeit ausüben. Deshalb scheiden Fälle des § 19 EStG aus dem Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 5 aus. Der Dienstleistungsbegriff i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 ist nicht mit dem umsatzsteuerlichen Leistungsbegriff identisch. Er kann auch Tätigkeiten erfassen, die sich auf § 8 Abs. 1 Nr. 1–4 beziehen, jedoch die dort genannten Aktivitätserfordernisse nicht erfüllen.
Rz. 172
Begriff: Dienstleistungstätigkeiten. Unter den Begriff der Dienstleistungstätigkeiten fallen alle wirtschaftlichen Verrichtungen, die nicht in der Erzeugung von Sachgütern, sondern in persönlichen Leistungen bestehen. Es muss die Dienstleistung als solche und nicht deren Erfolg geschuldet werden. Sehr übersichtlich werden die Dienstleistungen i.S. der Nr. 5 von Vogt in 7 Untergruppen eingeteilt, nämlich
- 1. gewerbliche Dienstleistungen (gesamter Bereich des Transportwesens, Nachrichtenverkehr, Baubetreuung, Instandhaltung, Reinigung, Bewachung und die Übernahme von Computerarbeiten);
- 2. technische Planleistungen (Engineering, Werbung, Verkaufs- und Organisationsleitung, Forschung, Entwicklung, seismische Untersuchungen, statische Berechnungen, Meinungsforschung);
- 3. Führung von Büchern, die Übernahme von Rechenarbeiten, Erstellung von Programmen u.ä.;
- 4. die Tätigkeit der Handelsvertreter, Makler, Spediteure, Lagerhalter, Frachtführer, Versicherungsvertreter, Treuhänder und das sonstige Mitwirken an gewerblichen Tätigkeiten;
- 5. Dienstleistungen des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes, Wäscherei und Reinigung, Gesundheitspflege, Krankenhaus, Sanatorium, Schaustellung, fotografisches Gewerbe und vergleichbare Tätigkeiten;
- 6. Dienstleistungen im kulturellen Bereich (Kunst, Theater, Film, Rundfunk und Fernsehen, Verlags-, Literatur- und Pressewesen);
- 7. freiberufliche Tätigkeit der Architekten, Ärzte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Patentanwälte, Notare, Ingenieure, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Dentisten, Tierärzte, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Industrie- und Wirtschaftsberater, Anlage- und Vermögensberater, Sachverständige, Auktionatoren, Freie Mitarbeiter, Hausverwalter.
Rz. 172.1
Abgrenzungsfragen. Der Begriff der Dienstleistung muss sich an § 611 BGB orientieren. Danach besteht die Dienstleistung aus der Leistung versprochener Dienste. Die Dienste können gleichermaßen technischer oder administrativer Natur sein. Es kann sich aber auch um Vermittlungs- oder Beratungsleistungen handeln. Es wird eine Leistung und kein Erfolg versprochen. Die Dienstleistung ist einerseits zu Werkverträgen und andererseits zur Vermögensverwaltung abzugrenzen. Bei Werkverträgen wird ein bestimmter Erfolg geschuldet. Die Verwaltung eigenen Vermögens (Patentverwertung, Grundstücksverwaltung und Halten von Wertpapieren) beinhaltet keine Dienstleistung gegenüber einem Dienstleistungsempfänger. Hier steht das Interesse an dem eigenen Vermögen im Vordergrund. Die Tätigkeiten sind deshalb nach § 8 Abs. 1 Nr. 6, 7, 8 und 9 zu subsumieren. In Grenzfällen kann auf die Sichtweise eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters abgestellt werden. Die Holdingtätigkeit fällt unter § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9, weil die von Holdinggesellschaften üblicherweise ausgeübten Kontrollhandlungen im Eigeninteresse und nicht im Interesse eines Dienstleistungsempfängers vorgenommen werden. Zu beachten ist allerdings, dass die einzelnen Nummern des § 8 Abs. 1 selbständig nebeneinander stehen. Der Dienstleistungsbegriff der Nr. 6 schließt deshalb den Finanzsektor der Nr. 7 nicht von vornherein aus. Anders ausgedrückt kann auch eine innerhalb des Finanzsektors anfallende Dienstleistungstätigkeit unter § 8 Abs. 1 Nr. 6 zu subsumieren sein. Köhler erörtert Abgrenzungsfragen im Zusammenhang mit Softwareentwicklungen.
Rz. 173
Künstlerische Tätigkeiten. Problematisch ist der Begriff der Dienstleistung bei freiberuflichen Tätigkeiten, denen eine gewisse geistig oder künstlerisch produktive Tätigkeit eigen ist. So sind zB Fälle denkbar, in denen ausländische Gesellschaften Schauspieler engagieren, Theateraufführungen inszenieren, die erforderlichen Ausstattungen beschaffen und Verträge über Gastspiele mit Veranstaltern abschließen. In diesen Fällen mag das einzelne Gastspiel als Gesamtleistung die Tätigkeit der ausländischen Gesel...