Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 54
Sinn und Zweck. Der Sinn der Vorschrift ist nur insoweit (bedingt) nachvollziehbar, als sie sich zwangsläufig auch noch auf die Wirtschaftsjahre vor 2001 auswirkt. Soweit man die Vorschrift zukunftsbezogen betrachtet, widerspricht sie dem neuen System der Hinzurechnungsbesteuerung. Dies mögen die folgenden zwei Beispiele belegen.
Beispiel 1
Die unbeschränkt stpfl. A und B sind zu je 50 vH an der ausl. Muttergesellschaft M beteiligt, die ihrerseits die ausl. Tochtergesellschaft T beherrscht. T soll in den Jahren 2000–2001 Zwischeneinkünfte aus Tätigkeiten i.S. des § 7 Abs. 6a erzielt haben. M verkauft die Beteiligung an T im Jahr 2005. Der Beteiligungsveräußerungsgewinn ist passiv i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 9. Sollte T die in den Jahren 2000–2001 erzielten Zwischeneinkünfte aus Tätigkeiten i.S. des § 7 Abs. 6a ausgeschüttet haben, so hätten A und B jeweils die Rechtsfolge aus § 11 Abs. 1 oder 2 aF mit der Folge in Anspruch nehmen können, dass ein HZB gemindert bzw. eine Erstattung hätte beantragt werden können. Dies hätte idR die Besteuerung der Zwischeneinkünfte aus Tätigkeiten i.S. des § 7 Abs. 6a ausgeschlossen. Deshalb will § 11 nF eine doppelte Begünstigung der passiven Beteiligungsveräußerungsgewinne ausschließen. Allerdings wäre eine Besteuerung in Ausnahmefällen denkbar gewesen, wenn zB die Fünfjahresfrist des § 11 Abs. 2 aF nicht beachtet worden sein sollte. Diese Ausnahmesachverhalte lässt § 11 nF unberücksichtigt.
Beispiel 2
Sachverhalt wie im Beispiel 1, jedoch soll die Beteiligung an T erst im Jahre 2010 veräußert werden. T soll die Zwischeneinkünfte aus Tätigkeiten i.S. des § 7 Abs. 6a in den Jahren 2001 bis 2010 erzielt haben. In diesem Fall macht das Abstellen auf die Ausschüttung der Zwischeneinkünfte aus Tätigkeiten i.S. des § 7 Abs. 6a keinen Sinn, weil die Zwischeneinkünfte unbeschadet ihrer Ausschüttung der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen sind. § 11 Abs. 1 und 2 aF ist nach dem Wirtschaftsjahr 2001 nicht mehr anwendbar. Wurden die Zwischeneinkünfte ausgeschüttet, so können sie in dem Beteiligungsveräußerungsgewinn nicht mehr enthalten sein, weshalb ihre Nachversteuerung in dem Beteiligungsveräußerungsgewinn ein Widerspruch in sich ist. Der Widerspruch führt zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift, weil der Gesetzgeber die von ihm selbst vorgegebene Systematik der Hinzurechnungsbesteuerung durchbrochen hat.
Rz. 55
Ausschüttung von Einkünften. Eine weitere Schwierigkeit des § 11 besteht darin, dass die Vorschrift von der irrigen Vorstellung ausgeht, eine Kapitalgesellschaft schütte Einkünfte aus bestimmten Tätigkeiten aus. Auch wenn bei der hier zu besprechenden Frage stets auf ausl. Gesellschaftsrecht abzustellen ist, kann von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass idR nur eine Ausschüttung des Bilanzgewinns bzw. eines Teils des Bilanzgewinns, nicht aber von Einkünften aus bestimmten Tätigkeiten in Betracht kommt. Wenn also handelsrechtlich nur der Bilanzgewinn bzw. ein Teil des Bilanzgewinns ausgeschüttet werden kann, so ist steuerrechtlich darüber zu entscheiden, wann die Ausschüttung mit den Einkünften aus Tätigkeiten i.S. des § 7 Abs. 6a identifiziert werden kann. Diese Frage macht keine Schwierigkeiten, wenn die Gesellschaft nur Einkünfte aus Tätigkeiten i.S. des § 7 Abs. 6a erzielt haben sollte. Dann muss der ausgeschüttete Betrag zwangsläufig auf diese Einkünfte entfallen. Für alle anderen Fälle fehlt es an einer gesetzl. Verrechnungsvorschrift, weshalb dem Stpfl. der Einwand freigestellt sein muss, dass der tatsächlich ausgeschüttete Betrag vorrangig auf Einkünfte zu verrechnen ist, die die Gesellschaft aus anderen Tätigkeiten erzielt hat. Dies gilt umso mehr, als § 11 ohnehin nicht der übrigen Systematik der Hinzurechnungsbesteuerung entspricht.