Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 216
Übersicht. Grundsätzlich führt die Vermietung und Verpachtung zu Einkünften aus aktivem Erwerb. Allerdings erfährt dieser Grundsatz in Nr. 6 Buchst. a–c sehr wesentliche Durchbrechungen. Die Durchbrechungen bedeuten im praktischen Ergebnis, dass die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeiten überwiegend Einkünfte aus passivem Erwerb auslösen. Zum besseren Verständnis von § 8 Abs. 1 Nr. 6 sollte man die einzelnen Buchstabenabsätze mit folgenden Überschriften versehen:
§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a: Patentverwertungsgesellschaften u.Ä.
§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b: Grundstücksgesellschaften
§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c: Leasinggesellschaften u.Ä.
Die Frage geht dahin, ob außerhalb der genannten Buchst. ein Bereich aktiver Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit in Betracht zu ziehen ist. Insoweit deckt § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a–c sicherlich die gewerbliche und die vermögensverwaltende Vermietung und Verpachtung gleichermaßen ab. Die Frage kann deshalb nur objektbezogen gestellt werden. Da jedoch § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c alle beweglichen Sachen erfasst, kann nur an die Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter gedacht werden, soweit sie nicht von § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a erfasst werden (vgl. Anm. 220). IdR werden solche immateriellen Wirtschaftsgüter jedoch nicht zur Nutzung überlassen, sondern zu Eigentum übertragen. Deshalb gibt es keine aktive Vermietungs- und Verpachtungstätigkeiten außerhalb des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a–c.
Rz. 217
Begriff: Vermietung und Verpachtung. Der Begriff "Vermietung und Verpachtung" entspricht im Ansatz dem auch in § 21 EStG verwendeten Begriff, weshalb insoweit auf die Kommentierung dieser Vorschrift verwiesen werden kann. Entscheidend ist auf eine zeitlich begrenzte Überlassung von Wirtschaftsgütern abzustellen. Dazu gehören auch Einkünfte aus der Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen. Allerdings ist nur der Grundtatbestand des § 21 EStG anwendbar. Die Subsidiaritätsklausel des § 21 Abs. 3 EStG gilt nicht, weshalb auch gewerbliche Vermietungen und Verpachtungen unter § 8 Abs. 1 Nr. 6 fallen. Andererseits gilt die Objektbeschränkung des § 21 EStG nicht, weshalb Gegenstand der Vermietung und Verpachtung i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 nicht nur unbewegliches Vermögen, Sachinbegriffe und Rechte sein können. Unter die Vorschrift fällt auch die Vermietung und Verpachtung beweglicher Sachen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG. Ob das Franchising als aktive Tätigkeit behandelt werden kann, ist streitig. Abgrenzungsprobleme können sich zum Dienstleistungsbereich (vgl. Anm. 172) und zu Holdingtätigkeiten ergeben. Reine Holdingtätigkeiten sind unter § 8 Abs. 1 Nr. 8 zu subsumieren, weil diese Bestimmung sich als Spezialvorschrift darstellt. Keine Vermietung und Verpachtung i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 ist das Finanzierungs-Leasing i.S. des BMF-Schreibens v. 19.4.1971. Es ist als Kreditgeschäft zu behandeln (vgl. Anm. 261). Leasinggeschäfte fallen jedenfalls dann nicht unter § 8 Abs. 1 Nr. 6, wenn das wirtschaftliche Eigentum an dem überlassenen Gegenstand auf den Leasingnehmer übergeht. Sie sind unter § 8 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 zu subsumieren. Entsprechendes gilt idR für die zeitlich unbegrenzte Überlassung von Standard- und/oder Individualsoftware. Unter dem Gesichtspunkt der funktionalen Betrachtungsweise können Vermietungstatbestände auch unter andere Nr. des § 8 subsumiert werden (vgl. Anm. 219). Letztlich ist deshalb der Begriff als eigenständiger des AStG zu verstehen, der sich nur in einem gewissen Umfang an die "Vermietung und Verpachtung" i.S. des § 21 EStG anlehnt.
Rz. 218
Veräußerungsgewinn. Ein Problem besonderer Art beinhaltet die Frage, inwieweit Einkünfte aus Veräußerungsgewinnen von der Hinzurechnungsbesteuerung erfasst werden. § 8 Abs. 1 Nr. 6 spricht nur von der "Vermietung und Verpachtung". Unter diesen Begriff fällt die "Veräußerung" nicht. Es ist nicht einzusehen, weshalb Gewinne aus der Veräußerung von Gegenständen anders als aus deren Vermietung und Verpachtung besteuert werden. Zu beachten ist allerdings, dass die Frage eng mit der Art der Ermittlung der Zwischeneinkünfte zusammenhängen kann. Ist die ausländische Gesellschaft ein gewerblich tätiges Unternehmen, das im Rahmen seines Gewerbebetriebes einer Vermietung und Verpachtung nachgeht, so sind zwar die daraus erzielten Zwischeneinkünfte unter § 8 Abs. 1 Nr. 6 zu subsumieren. Wegen der Verweisung des § 10 Abs. 3 Satz 1 auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 und auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG handelt es sich bei den Zwischeneinkünften jedoch um solche gewerblicher Art. Bei Zwischeneinkünften gewerblicher Art müssen sich alle Abgänge im Betriebsvermögen auf die Einkunftsermittlung dem Grunde nach auswirken. Für die Veräußerung von Vermögensgegenständen, die vorher der Erzielung von Zwischeneinkünften dienten, bedeutet dies, dass der Veräußerungsgewinn zu den Zwischeneinkünften zählt und deren steuerrechtliches Schicksal teilt. Nur dann, wenn die ausländische Gesellschaft...