Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 184
Allgemeiner Regelungszweck. § 5 Abs. 1 Satz 2 sieht vor, dass unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 die Vermögenswerte der ausländischen Gesellschaft, deren Erträge bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht ausländische Einkünfte wären, im Fall des § 4 dem Erwerb entsprechend der Beteiligung zuzurechnen sind. Dadurch soll insbes. verhindert werden, dass die erweitert beschränkte Erbschaftsteuerpflicht des § 4 dadurch unterlaufen wird, dass Vermögen mit inländischem Bezug, welches nicht die Voraussetzungen von § 121 BewG erfüllt (sog. "erweitertes Inlandsvermögen"), auf eine ausländische Gesellschaft übertragen wird. Damit ergänzt die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 primär die erweitert beschränkte Erbschaftsteuerpflicht des § 4. Der Durchgriff durch eine ausländische Gesellschaft ist für erbschaftsteuerliche Zwecke im Übrigen nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich (vgl. zB R 4 Abs. 3 Satz 6 ErbStR für Missbrauchsfälle).
Rz. 185
Erweiterter Regelungszweck. Anders als im Rahmen der Einkommensteuer kennt die Erbschaftsteuer eine erweitert unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG für einen Zeitraum von fünf Jahren nach Wegzug eines Deutschen. Daneben besteht die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG für Inlandsvermögen i.S. von § 121. Die erweitert beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach § 4 kommt nur zur Anwendung, wenn nicht bereits eine erweitert unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG besteht (vgl. Anm. 60). Die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG geht indes in der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 4 auf (vgl. § 4 Anm. 52). Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die Zurechnung des § 5 Abs. 1 Satz 2 das Inlandsvermögen i.S. von § 121 BewG mitumfassen. Damit wächst der Zurechnung implizit der zusätzliche Zweck zu, die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zu flankieren. Der Zweck ist nachvollziehbar, weil die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch durch Übertragung von Inlandsvermögen i.S. von § 121 BewG auf eine ausländische Gesellschaft umgangen werden kann. Insoweit besteht aber auch ein erheblicher Unterschied zu § 5 Abs. 1 Satz 1, der eine Umgehung der einfachen beschränkten Steuerpflicht nicht verhindern muss, weil nach Übertragung derartiger Inlandsinteressen auf eine ausländische Gesellschaft diese Gesellschaft einfach unbeschränkt steuerpflichtig bleibt.
Rz. 186
Praktische Relevanz. Die praktische Relevanz der Zurechnung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ist eher gering. Bereitet das Zusammenspiel von § 2 und Hinzurechnungsbesteuerung in der Praxis schon erhebliche (nachvollziehbare) Schwierigkeiten, wird das durch das zusätzliche Hinzutreten der Erbschaftsteuer im Rahmen von § 5 Abs. 1 Satz 2 noch problematischer. Hinzu kommt, dass der Anwendungsbereich zT noch weiter dahingehend einschränkt wird, nur solche Vermögenswerte der Zurechnung zu unterwerfen, deren Erträge passiv und niedrig besteuert sind. Damit fallen zB die praktisch wichtigen Beteiligungen an inländischen Gesellschaften aus dem Anwendungsbereich heraus, weil deren Erträge stets aktiv i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 8 sind. In der Praxis macht daher auch das geflügelte Wort vom "toten Recht" die Runde.