Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 358
Entstehungsgeschichte. Nr. 10 ist durch das SEStEG v. 12.12.2006 in den Katalog aktiver Tätigkeit in § 8 Abs. 1 eingefügt worden. Die Vorschrift war in der Kabinettsfassung des SEStEG noch nicht enthalten. Sie wurde erst während der Beratungen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages eingefügt. Man wird die Einfügung wohl als Reaktion des Gesetzgebers auf die Kritik von Werra während der öffentlichen Anhörung von Sachverständigen vor dem Finanzausschuss am 18.11.2006 in Berlin verstehen müssen. Werra hatte beanstandet, dass alle Umwandlungen, die im Ausland stattfinden, aus deutscher Sicht als niedrig besteuert angesehen werden. Im AStG werde einfach gesagt: Wenn im Ausland umgewandelt wird, ist es eine niedrig besteuerte Umwandlung, die potenziell der Hinzurechnungsbesteuerung in Deutschland unterliegen kann. Das sei völlig inakzeptabel. Deutschland müsse akzeptieren, dass Umwandlungen, die solchen nach deutschem UmwStG entsprechen und lediglich im Ausland durchgeführt werden, auch in Deutschland nicht besteuert werden dürfen. Das sei eine Selbstverständlichkeit; jedoch sehe das tatsächlich praktizierte Verfahren anders aus.
Rz. 359
Lösungsmöglichkeiten des Gesetzgebers. Betrachtet man die Lösungsmöglichkeiten des Gesetzgebers, so sollte man bei der Kritik Werras ansetzen. Werra hatte lediglich moniert, dass Umwandlungen im Ausland nach § 8 Abs. 3 stets als niedrig besteuert behandelt werden. Daraus folgt als naheliegendste Lösungsmöglichkeit des Gesetzgebers, Umwandlungsgewinne steuerrechtlich fiktiv so zu behandeln, als unterlägen sie im Ausland einer Steuerbelastung, die für nicht steuerbefreite "laufende Einkünfte" gilt. Dabei interessiert letztlich nur die Steuerbelastung der Einkünfte aus passivem Erwerb. Alternativ hätte der Gesetzgeber die Anwendung des UmwStG mit der Folge bestimmen können, dass im Falle der Buchwertfortführung (in der Hinzurechnungsbilanz) und dem fehlenden Verlust des deutschen Besteuerungsrechtes hinsichtlich des Gewinnes aus den übertragenen Wirtschaftsgütern keine Einkünfte dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde gelegt werden. Beide Möglichkeiten hat der Gesetzgeber jedoch nicht gewählt. Stattdessen hat er Umwandlungsgewinne generell für aktiv erklärt, wenn sie nach dem deutschen UmwStG zu Buchwerten hätten vollzogen werden können. Das deutsche UmwStG ist zwar nunmehr im Rahmen von § 10 Abs. 3 anwendbar. Das ergibt sich im Umkehrschluss zu § 10 Abs. 3 Satz 4, wonach die Anwendung des UmwStG nur versagt wird, soweit "Einkünfte aus einer Umwandlung nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 hinzuzurechnen sind" (gemeint ist wohl: "Einkünfte nicht aus einer Umwandlung nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 stammen" – vgl. § 10 AStG Anm. 352). Aufgrund dieser Ausnahme wird das UmwStG aber zumindest auf den Umwandlungsgewinn als solchen tatsächlich nicht angewendet, sondern lediglich für die Prüfung der Aktivität des Umwandlungsgewinns für fiktiv anwendbar erklärt. Anders mag es hinsichtlich der Frage liegen, inwieweit die übertragenen Wirtschaftsgüter unter Anwendung des UmwStG tatsächlich zu Buchwerten oder zu gemeinen Werten in der Hinzurechnungs(schluss)bilanz anzusetzen sind (vgl. § 10 AStG Anm. 352). Im Übrigen ist das UmwStG im Rahmen von § 10 Abs. 3 – anders als bei § 8 Abs. 1 Nr. 10 – nur mit der Restriktion des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG anwendbar. Die Vorgehensweise des deutschen Gesetzgebers ist ausgesprochen ungewöhnlich. Sie widerspricht der Systematik der Hinzurechnungsbesteuerung. Es bestehen auch Zweifel, ob der Gesetzgeber die Konsequenzen seiner eigenen Vorgehensweise zu Ende gedacht hat. Möglicherweise handelt es sich um einen Fall, bei dem der Gesetzgeber selbst an der Kompliziertheit des von ihm geschaffenen deutschen Steuerrechts gescheitert ist. Jedenfalls orientiert sich der übrige Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 an Tätigkeiten (mit Einschränkung allerdings bereits bei § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9). § 8 Abs. 1 Nr. 10 erklärt dagegen einen bestimmten Gewinn für aktiv. Der Gewinn kann Teil von Tätigkeiten sein, die ihrerseits passiv und niedrig besteuert sind. Der Umwandlungsgewinn ist als solcher wegen § 10 Abs. 3 Satz 1 nur dann nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln, wenn er zu den Einkünften aus passivem Erwerb zählt (insbes. also nicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 aktiv ist). Bei der Ermittlung von passiven Umwandlungseinkünften, die dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegen, sind die Vorschriften des UmwStG wegen § 10 Abs. 3 Satz 4 allerdings nicht anzuwenden. Ein passiver Umwandlungsgewinn kann deshalb nicht durch einen Buchwertansatz vermieden werden. Lediglich für diejenigen passiven Wirtschaftsgüter, aus deren Übertragung ein aktiver Umwandlungsgewinn i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 10 resultiert, kommt ein Buchwertansatz in der Hinzurechnungsbilanz nach Maßgabe des UmwStG in Betracht (vgl. § 10 AStG Anm. 352). In diesem Fall wird der Stpfl. aber ein Interesse an der Buchwertaufstockung haben, weil der Umwandlungsgewinn bei ihm nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 aktiv ist und beim übe...