Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 434
Praktische Bedeutung. Die praktische Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG ist in Fällen von Beteiligungs-Holdinggesellschaften im Wesentlichen von der Abgrenzung einer sog. "aktiven Beteiligungsverwaltung" von einer sog. "passiven Beteiligungsverwaltung" geprägt (vgl. zur Vermögensverwaltung als Wirtschaftstätigkeit bereits Rz. 345 ff.). Dabei übt nach Ansicht der FinVerw nur eine sog. "geschäftsleitende Holding" eine aktive Beteiligungsverwaltung aus (vgl. Rz. 435). In der Praxis ist daher von besonderer Relevanz, wann eine solche aktive Beteiligungsverwaltung vorliegt bzw. wann eine Holding als "geschäftsleitende" Holding qualifiziert. Denn jedenfalls wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, liegt eine Wirtschaftstätigkeit vor (s. aber auch weitergehend Rz. 345 ff.). Zugleich wird auch "automatisch" der wesentliche Zusammenhang der Einkunftsquelle mit dieser Wirtschaftstätigkeit gegeben sein, da die entsprechenden Beteiligungen stets mit der Wirtschaftstätigkeit "Geschäftsleitung" einen funktionalen Zusammenhang aufweisen werden (vgl. Rz. 463). Die sachliche Entlastungsberechtigung der Nr. 2 fehlt dann bei einer geschäftsleitenden Holdinggesellschaft nicht. Kurzum: Liegen die Voraussetzungen einer geschäftsleitenden Holding vor, ist § 50d Abs. 3 EStG insgesamt nicht anwendbar.
Rz. 435
FinVerw zu § 50d Abs. 3 i.d.F. BeitrRLUmsG. Nach dem BMF-Schreiben vom 24.1.2012 setzt eine eigene Wirtschaftstätigkeit i.S.d. § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG eine über den Rahmen der Vermögensverwaltung hinausgehende Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr voraus (vgl. dazu und zur Kritik Rz. 345 ff.). Daraus folgert die FinVerw, dass nur eine "aktive Beteiligungsverwaltung" eine "Wirtschaftstätigkeit" darstellen kann. Beschränkt sich die Körperschaft hingegen auf eine "passive" Beteiligungsverwaltung, bei der sich die Körperschaft auf die Ausübung der Gesellschafterrechte beschränkt, liegt keine Wirtschaftstätigkeit vor. Diese Auslegung mag zwar formal gesehen in § 50d Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG eine gesetzliche Grundlage gehabt haben. In den Rs. Deister Holding und GS hat der EuGH aber festgestellt, dass auch eine vermögensverwaltende Tätigkeit eine unionsrechtlich geschützte tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit darstellen und daher kein tragfähiges Indiz für eine Missbrauchsvermutung sein kann (vgl. dazu ausf. Rz. 347 und Vor § 50d Abs. 3 EStG Rz. 98). § 50d Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG war demzufolge unionsrechtswidrig. Mit BMF-Schreiben vom 4.4.2018 reagierte die FinVerw auf diese Entscheidung, indem sie (nur) für Entlastungsansprüche nach § 43b EStG eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr i.S.d. § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG auch bei einer Verwaltung von Wirtschaftsgütern als erfüllt ansah, wenn im Rahmen einer Beteiligungsverwaltung die Körperschaft ihre Rechte als Gesellschafterin tatsächlich ausübt (s. dazu Rz. 349). Zudem wurden die Anforderungen an den Substanztest nach § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG in der Weise herabgesetzt, dass bei einer Verwaltung von Wirtschaftsgütern nicht mehr ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal beschäftigt werden muss.
Rz. 436
Gesetzesbegründung AbzStEntModG. Der Gesetzgeber versucht in der Gesetzesbegründung nun offenbar die bereits von der FinVerw vertretene und heftig umstrittene Abgrenzung zwischen aktiver und passiver Beteiligungsverwaltung durch eine "authentische" Interpretation des Gesetzes festzuschreiben. Hiernach soll nämlich nach § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Var. 1 EStG (Aktivitätstest) keine Wirtschaftstätigkeit vorliegen, wenn sich die Körperschaft "auf eine sog. passive Beteiligungsverwaltung [beschränkt], bei der sie über die Empfangnahme der Dividenden und ggf. ihre Weiterleitung – zum Beispiel als Darlehen an ihre Anteilseigner – hinaus keine wesentliche Tätigkeit entfaltet". Hingegen soll eine Wirtschaftstätigkeit vorliegen, wenn die Tätigkeit der Körperschaft eine "sog. aktive Beteiligungsverwaltung [darstellt], bei der sie als Holdinggesellschaft die Geschicke ihrer Tochtergesellschaften planmäßig steuert [...], selbst wenn ihre Einkünfte allein aus den Dividenden ihrer Tochtergesellschaften bestehen." Angesichts dieser Ausführungen ist davon auszugehen, dass die FinVerw (jedenfalls im Grundsatz) auch für die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG ihre im BMF-Schreiben vom 24.1.2012 vertretenen Auffassung zur Abgrenzung einer passiven von einer aktiven Beteiligungsverwaltung fortsetzen wird. Vor dem Hintergrund des BMF-Schreibens v. 4.4.2018 dürfte die Gesetzesbegründung und (mutmaßliche) zukünftige Verwaltungspraxis aber auch eine erhebliche Verschärfung mit sich bringen, da in der Gesetzesbegründung mit keinem Wort auf die Einschränkungen des BMF-Schreibens v. 4.4.2018 eingegangen wird (s. aber zur Anwendung auf "Altfälle"Rz. 93). Die ursprünglich im BMF-Schreiben vom 24.1.2012 enthaltenen Voraus...