(1) Vergütungen i.S.v. § 50a EStG und Kapitalerträge i.S.v. § 43b EStG
Rz. 243
Vergütungen i.S.v. § 50a EStG und Kapitalerträge als Gegenstand des Freistellungsverfahrens. Hiernach ist das Freistellungsverfahren anwendbar auf Vergütungen i.S.v. § 50a Abs. 1 EStG, Kapitalerträge (offene und verdeckte Gewinnausschüttungen) i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und § 43 Abs. 1 Nr. 6 EStG an Muttergesellschaften im EU-Ausland, wenn die Voraussetzungen des § 43b EStG gegeben sind.
(2) Zinsen- und Lizenzgebühren i.S.v. § 50g EStG
Rz. 244
Zinsen und Lizenzgebühren als Gegenstand des Freistellungsverfahrens. Außerdem ist das Freistellungsverfahren grundsätzlich anwendbar auf Zinsen und Lizenzgebühren, die gem. § 50g EStG von einem inländischen Unternehmen oder einer inländischen Betriebsstätte an ein Unternehmen oder eine Betriebsstätte in einem anderen EU-Mitgliedstaat gezahlt werden.
Rz. 245
Uneinigkeit hinsichtlich der tatsächlichen Anwendung. Die tatsächliche Anwendung des Freistellungsverfahren auf diese Fälle ist allerdings streitig. Zum Teil wird vertreten, dass dies nur in Fällen denkbar wäre, in denen die Voraussetzungen des § 50g Abs. 1 EStG erfüllt sind, der Steuerpflichtige jedoch keinen rechtzeitigen Antrag gem. § 50g Abs. 1 EStG auf Nichterhebung von Quellensteuer gestellt hat, sondern vielmehr einen Antrag gem. § 50d Abs. 2. Würde ein Antrag gem. § 50g Abs. 1 EStG vorliegen, so würde der Schuldner der Kapitalerträge nämlich bereits bei Zahlung von der deutschen Quellenbesteuerung absehen. Andere Stimmen hingegen sehen das Freistellungsverfahren auch für die Geltendmachung der Entlastung nach § 50g EStG als maßgeblich an. Zur Begründung wird angeführt, dass selbst bei Stellung eines Antrags nach § 50g EStG die Regelung des § 50d Abs. 1 Satz 1 "ungeachtet von § 50g " gelten würde, weshalb jedenfalls der Antrag nach § 50d Abs. 2 notwendig sei, um den Steuerabzug zu vermeiden.
(3) Nicht von § 43b EStG erfasste Kapitalerträge
Rz. 246
Erweiterung des Anwendungsbereichs für nicht von § 43b EStG erfasste Mutter-Tochter-Beteiligungen. Für Mutter-Tochter-Beteiligungen erweitert Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 das Freistellungsverfahren. Hiernach gilt das Freistellungsverfahren auch für Kapitalerträge, die von einer inländischen Kapitalgesellschaft an eine nach einem DBA im anderen Vertragsstaat ansässige Kapitalgesellschaft, die am Nennkapital der inländischen Kapitalgesellschaft zu mindestens 10 % unmittelbar beteiligt ist und in ihrem Ansässigkeitsstaat den Steuern vom Einkommen oder Gewinn ohne Befreiung unterliegt, ohne davon befreit zu sein, gezahlt werden. Dabei dürfen die Einkünfte nach dem DBA nicht oder nur mit einem geringeren Steuersatz besteuert werden.
Rz. 247
Keine Mindestbeteiligungsdauer. Eine Mindestbeteiligungsdauer sieht Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. 2 nicht vor. Deshalb dürfte eine Mindestbeteiligungsdauer (im Gegensatz zu § 43b Abs. 2 EStG) nicht erforderlich sein.
Rz. 248
Praktische Tragweite der Ausdehnung. Damit erstreckt das Gesetz die Möglichkeit der Freistellung auch auf Kapitalgesellschaften, die nicht von § 43b EStG erfasst werden, z.B. wegen ihrer Ansässigkeit in Drittstaaten. Hierdurch wird – vorbehaltlich entsprechenden Voraussetzungen – ein eigenständiges und laterales Schachtelprivileg geschaffen. Mit dieser Ausdehnung der Regelung auch auf Direktinvestoren aus Ländern außerhalb der EU, mit denen ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, trägt der Gesetzgeber dem Grundsatz der Gleichbehandlung ausländischer Investoren und dem Grundsatz der Verfahrenseinheit Rechnung.
Rz. 249
Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2. Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 erfasst nicht alle Fälle, in denen ein DBA eine Entlastung von der deutschen Kapitalertragsteuer normiert. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Entlastung versagt wird. Vielmehr verbleibt es in diesen Fällen beim Erstattungsverfahren gem. Abs. 1.
bb) Antrag und zuständige Behörde
Rz. 250
Antragserfordernis. Das Freistellungsverfahren erfordert einen Antrag des Vergütungsgläubigers oder seines Bevollmächtigten. Der Antrag ist an das Bundeszentralamt für Steuern zu richten. Er muss auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck gestellt werden (Satz 1 Halbs. 1).
Rz. 251
Antragsform. Dabei hat der Gläubiger der Kapitalerträge oder Vergütungen i.S.d. § 50a EStG außerdem nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck durch eine Bestätigung der für ihn zuständigen Steuerbehörde des anderen Staats nachzuweisen, dass er do...