(1) Statthafte Rechtsbehelfe
Rz. 270
Verpflichtungsklage und einstweilige Anordnung bei Ablehnungsbescheid. Wird der Freistellungsantrag abgelehnt, so ist gegen den Ablehnungsbescheid – nach Durchführung eines Einspruchsverfahrens – die Verpflichtungsklage (§ 40 FGO) statthaft. Vorläufiger Rechtsschutz kann nur im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) erstritten werden. Eine Aussetzung der Vollziehung scheidet aus, da der Ablehnungsbescheid kein vollziehbarer Verwaltungsakt ist.
Rz. 271
Anfechtungsklage und AdV bei Änderung oder Aufhebung der Freistellungsbescheinigung. Bei Änderung oder Aufhebung einer Freistellungsbescheinigung sind hingegen die Anfechtungsklage und im vorläufigen Rechtsschutz die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) einschlägig.
(2) Rechtsbehelfsbefugnis
Rz. 272
Klare Rechtsbehelfsbefugnis des Vergütungsgläubigers und ungeklärte Rechtsbehelfsbefugnis des Vergütungsschuldners. Rechtsbehelfsbefugt ist der Vergütungsgläubiger als Adressat der Freistellungsbescheinigung. Fraglich ist, ob daneben auch der Vergütungsschuldner als potentieller Haftungsschuldner Drittbetroffener und damit ebenfalls rechtsbehelfsbefugt ist. Der BFH hat die Rechtsbehelfsbefugnis des Vergütungsschuldners für den Fall des Widerrufs einer Freistellungsbescheinigung bejaht und die Frage im Übrigen – also insbesondere die Frage der Rechtsbehelfsbefugnis hinsichtlich der Anfechtung eines Ablehnungsbescheids – offengelassen. Im Schrifttum ist die Rechtsbehelfsbefugnis des Vergütungsschuldners bzgl. der Anfechtung eines Ablehnungsbescheids umstritten. Die Stimmen, die die Rechtsbehelfsbefugnis insoweit befürworten, stützen ihre Auffassung darauf, dass der Vergütungsschuldner als potentieller Haftungsschuldner generell Drittbetroffener ist. Die Gegenmeinung begründet die Verneinung der Rechtsbehelfsbefugnis in dieser Konstellation mit der fehlenden Beschwer.
(3) Rechtsschutzbedürfnis nach Ablauf des Freistellungszeitraums
Rz. 273
Kein Rechtsschutzbedürfnis bei Eintritt der objektiven Gegenstandslosigkeit insb. nach Ablauf des Freistellungszeitraums. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn die Freistellungsbescheinigung objektiv gegenstandslos geworden ist und dem Kläger/Rechtsbehelfsführer unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Vorteil zu verschaffen vermag. Dieser Aspekt kann – unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere nach Ablauf des Freistellungszeitraums zum Tragen kommen, wobei der Ablauf des Freistellungszeitraums allein insoweit noch nicht ausreichend ist. In der Praxis kann es hierzu insbesondere dann kommen, wenn der Erlass der Freistellungsbescheinigung streitig ist und in einem Einspruchs- und Gerichtsverfahren zu klären ist.
(a) Beschränkte Geltungsdauer der Freistellungsbescheinigung
Rz. 274
Beschränkte Geltungsdauer der Freistellungsbescheinigung als potentieller Grund für ein Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses. Der Grund für ein vermeintliches Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses findet seine Ursache darin, dass die Freistellungsbescheinigung in ihrer Geltungsdauer beschränkt ist. Die Geltungsdauer der Freistellungsbescheinigung beginnt nach § 50d Abs. 2 Satz 4 frühestens an dem Tag, an dem der Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern eingeht; sie beträgt mindestens ein Jahr und darf drei Jahre nicht überschreiten. Mithin dürfte der Vergütungsschuldner nur von einer Anmeldung und Abführung der Abzugsteuern absehen, wenn ihm am Tag der Ausschüttung eine diesen Termin einschließende Freistellungsbescheinigung vorliegt.
(b) Keinerlei denkbarer Vorteil
Rz. 275
Zusätzliches Erfordernis des keinerlei bestehenden denkbaren Vorteils. Der Ablauf des Geltungszeitraums allein führt jedoch noch nicht dazu, dass das Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr besteht. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt allerdings wegen Ablaufs des Geltungszeitraums, wenn bei Erteilung der Freistellungsbescheinigung keinerlei Vorteil mehr für die Klägerin denkbar ist, insbesondere keine Kapitalertragsteuer in dem streitigen Zeitraum entstanden ist bzw. entstehen kann oder eine Nachforderung oder Haftung hierfür ausgeschlossen werden kann. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn in dem betreffenden Freistellungszeitraum keine Gewinne ausgeschüttet wurden.