Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 187
Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Satz 1. Als wesentliche Tatbestandsvoraussetzung verlangt § 5 Abs. 1 Satz 2 zunächst, dass "die Voraussetzungen des Satzes 1 vor(liegen)". Daraus folgt, dass Personen i.S. des § 2 allein oder zusammen mit unbeschränkt Stpfl. an einer ausländischen Gesellschaft i.S. des § 7 beteiligt sein müssen. Was eine Person i.S. des § 2 ist, wird in Anm. 104 ff. kommentiert. Ergänzend hinzuweisen ist darauf, dass aufgrund des vollumfänglichen Verweises des § 4 Abs. 1 auf § 2 Abs. 1 Einigkeit darin besteht, dass die Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 2 das Vorhandensein wesentlicher wirtschaftlicher Inlandsinteressen i.S. von § 2 Abs. 3 voraussetzt. Hinzu kommt, dass für die Beantwortung der Frage, ob die Person i.S. des § 2 in einem Niedrigsteuergebiet ansässig ist, nicht auf die Erbschaftbesteuerung, sondern auf die Einkommensbesteuerung abzustellen ist. Daher liegt ein Niedrigsteuergebiet nicht schon deshalb vor, weil der Ansässigkeitsstaat der Person i.S. des § 2 keine Erbschaftsteuer erhebt. Für die Frage, wann Personen i.S. des § 2 zusammen mit unbeschränkt Stpfl. an einer ausländischen Gesellschaft i.S. des § 7 beteiligt sind, wird auf die Kommentierung in Anm. 111 ff. verwiesen. Regelmäßig ist das der Fall, wenn ihnen allein oder zusammen mit diesen Personen mehr als 50 % der Anteile an der ausländischen Gesellschaft zustehen. Unter den Voraussetzungen von § 7 Abs. 6 kann das auch weniger sein.
Rz. 188
Fiktive Steuerpflicht nach den §§ 7, 8 und 14. Eine andere Frage geht dahin, ob die fiktive Steuerpflicht nach den §§ 7, 8 und 14 zu den Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Satz 2 gehört. Isoliert betrachtet wird man das bejahen müssen. Im Kontext des § 5 Abs. 1 Satz 2 kann man darüber deshalb diskutieren, weil die Voraussetzung der nicht ausländischen Erträge zusätzlich in § 5 Abs. 1 Satz 2 genannt wird, wohingegen diese Voraussetzung in § 5 Abs. 1 Satz 1 kumulativ mit der fiktiven Steuerpflicht nach den §§ 7, 8 und 14 verknüpft ist. So gesehen spricht einiges dafür, dass "die Voraussetzungen des Satzes 1" nur diejenigen Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 1 Satz 1 erfassen, die bis zu dem Satzbestandteil "so sind die Einkünfte ..." genannt werden. Dafür könnte auch sprechen, dass mit "so sind die Einkünfte ..." bereits die Formulierung der Rechtsfolge beginnt. Man kann die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 aber auch dahin verstehen, dass sämtliche Voraussetzungen einer Zurechnung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 vorliegen müssen und in § 5 Abs. 1 Satz 2 nur partiell eine Modifikation dieser Voraussetzungen mit Blick auf die Besonderheiten des § 4 erfolgt. Die Finanzverwaltung nimmt diese Sichtweise ein, indem von der Zurechnung des § 5 Abs. 1 Satz 2 nur solche Vermögenswerte erfasst sein sollen, deren Erträge den Stpfl. nach § 5 Abs. 1 Satz 1 zuzurechnen sind, dh. die passiv und niedrig besteuert sind. Die fiktive Steuerpflicht nach den §§ 7, 8 und 14 gehört damit nach Auffassung der Finanzverwaltung zu den Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Satz 2. In der Sache ist das auch deshalb richtig, weil die Voraussetzungen der Zurechnung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 gegeben sein müssen, um die Fiktion der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 mit Leben erfüllen zu können (vgl. näher Anm. 196).
Rz. 189
Anwendung des Gegenbeweises gem. § 8 Abs. 2? Folgt man der Auffassung, wonach die fiktive Steuerpflicht nach den §§ 7, 8 und 14 zu den Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Satz 2 gehört (vgl. Anm. 188), dann ist es nur konsequent, dem Stpfl. auch die Möglichkeit des Gegenbeweises nach § 8 Abs. 2 für die Beteiligung an einer EU-/EWR-Gesellschaft einzuräumen. Dadurch kann die Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 2 verhindert werden. Zu den einzelnen Voraussetzungen des Gegenbeweises gelten die Ausführungen zu § 5 Abs. 1 Satz 1 entsprechend (vgl. Anm. 153 ff.).
Rz. 190
Anwendung der EU-/EWR-Grundfreiheiten. Verneint man eine Anwendung von § 8 Abs. 2 oder hält man die Voraussetzungen dieser Vorschrift für zu eng, dann ergibt sich der Gegenbeweis unmittelbar aus den EU-/EWR-Grundfreiheiten. Auf die ausführliche Darstellung in Anm. 77 wird verwiesen.