(1) Rechtsgrundlage der Entrichtung
Rz. 91
Unerheblichkeit der konkreten Rechtsgrundlage der Entrichtung des Steuerabzugsbetrages. Gemäß Satz 2 ist es für den Erstattungsanspruch ohne Bedeutung, auf welcher Rechtsgrundlage die Steuer gezahlt wurde. Sie kann vom Schuldner der Kapitalerträge oder Vergütungen einbehalten und abgeführt oder auf der Grundlage eines Haftungs- oder Nachforderungsbescheids entrichtet worden sein. Der Erstattungsanspruch steht dem Gläubiger ungeachtet dessen zu, ob der Schuldner die Steuer zu seinen Lasten gezahlt hat. Hat der Schuldner dem Gläubiger den Bruttobetrag ohne Steuerabzüge ausgezahlt und später selbst die Steuer aufgrund eines Haftungs- oder Nachforderungsbescheids entrichtet, steht dem Gläubiger dennoch der Erstattungsanspruch zu.
(2) Kombiniertes Erfordernis der Einbehaltung und Abführung
Rz. 92
Keine Erstattung bei mangelnder Steuerabführung. Wurde die Abzugsteuer hingegen einbehalten, aber nicht abgeführt, steht dem Gläubiger der Kapitalerträge oder Vergütungen kein Erstattungsanspruch zu.
Rz. 93
Begründung für das Erfordernis des Steuerabzugs. Der Gesetzeswortlaut belässt keinen Zweifel daran, dass die Erstattung voraussetzt, dass die Abzugsteuer einbehalten und zudem auch tatsächlich an das Finanzamt abgeführt worden sein muss. Dies allein korrespondiert mit dem in § 50d Abs. 1 Satz 1 angelegten Zweck der Abzugsteuer, das inländische Besteuerungssubstrat (vorerst) zu sichern und die (nachfolgende) Erstattung von einer näheren Prüfung der Erstattungsvoraussetzungen abhängig zu machen. Dies allein steht überdies in Einklang mit Satz 6, wonach die Auszahlung des Erstattungsanspruchs an einen Erstattungsgläubiger, der seinerseits Steuern nach § 50a Abs. 5 EStG einzubehalten hat, davon abhängig gemacht werden kann, dass er der eigenen Verpflichtung zum Steuerabzug nachkommt. Und auch § 50d Abs. 1 Satz 10, der eine Ablaufhemmung für die Frist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs enthält, bezieht sich auf die "Entrichtung" der Steuer. Wortlaut, Regelungszweck und Sachzusammenhang der Vorschrift sind sonach eindeutig: Ohne eine vorhergehende Abführung der Abzugsteuer kann eine Erstattung nicht erfolgen.
Rz. 94
Kritik im Schrifttum. Diese Sichtweise ist nicht unumstritten. Ihr wird entgegengehalten, dass es nicht "interessengerecht" sei, das Risiko nicht abgeführter Steuerbeträge nicht dem Vergütungsgläubiger, sondern dem Fiskus zuzuweisen. Denn der Fiskus bediene sich des Vergütungsschuldners als "Inkassostelle", als "Verwaltungshelfer". Der Vergütungsgläubiger müsse den Steuerabzug dulden und könne keinen Einfluss auf die ordnungsgemäße Abführung der einbehaltenen Steuer nehmen.
Rz. 95
Argument gegen die Kritik im Schrifttum. Allerdings verkennt diese Sichtweise den eindeutigen Regelungswortlaut des § 50d Abs. 1 Satz 2.
Rz. 96
Keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken. Diese Regelung begegnet auch keinen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken.
cc) Gläubiger der Kapitalerträge oder Vergütungen
Rz. 97
Gläubiger des Erstattungsanspruchs. Der Anspruch auf Erstattung steht dem Gläubiger der Kapitalerträge oder Vergütungen zu. Unter Vergütungsgläubiger ist nicht der zivilrechtliche Gläubiger zu verstehen. Vergütungsgläubiger ist vielmehr der Steuerschuldner, d.h. derjenige, dem die Vergütungen steuerlich zuzurechnen sind. Das gilt auch, wenn der Vergütungsschuldner aufgrund eines Nachforderungsbescheids in Anspruch genommen und dieser Bescheid später wegen des zwischenzeitlichen Erlasses einer zunächst nicht vorliegenden Freistellungsbescheinigung aufgehoben wird.
dd) Verhältnis des Erstattungsverfahrens zu der Steuerfestsetzung durch die Steueranmeldung des Vergütungsschuldners und Rechtsschutzmöglichkeit
Rz. 98
Alternative Erstattung im Steuerfestsetzungsverfahren. Eine Steuererstattung kann – alternativ zu § 50d Abs. 1 Satz 2 – auch im Steuerfestsetzungsverfahren, also in dem die Steueranmeldung durch den Vergütungsschuldner betreffenden Verfahren, erwirkt werden.
Rz. 99
Verhältnis von Erstattungsverfahren und Steuerfestsetzungsverfahren. Das Erstattungsverfahren und da...