Rz. 149
Kritik an Maßgeblichkeit der rechtlichen Ausgestaltung des jeweiligen IP-Box-Regimes. Die Rückausnahme des § 4j Abs. 1 Satz 4 EStG stellt ausschließlich auf die rechtliche Ausgestaltung des jeweiligen IP-Box-Regimes ab. Die tatsächliche Art und Weise der Geschäftstätigkeit des (Lizenz-)Gläubigers ist hingegen unbeachtlich. Dies hat "verheerende" Konsequenzen. Lässt sich nämlich im Ansässigkeitsstaat des (Lizenz-)Gläubigers eine substanzielle Geschäftstätigkeit nachweisen, die dem Nexus-Ansatz ganz bzw. teilweise gerecht wird, wird der inländische Lizenznehmer gleichwohl durch § 4j EStG belastet, wenn das dortige Steuerregime die präferenzielle Niedrigbesteuerung nicht von ausreichender eigener Forschungs- und Entwicklungstätigkeit abhängig macht. Wenn insoweit zu Rechtfertigungszwecken angeführt wird, eine solch abstrakte Prüfung entspräche dem Regelungszweck, schädliche von unschädlichen Präferenzregimen zu trennen, mag dies grundsätzlich zutreffen. Allerdings wird dem inländischen Lizenznehmer bzw. dem (Lizenz-)Gläubiger nicht die Möglichkeit eingeräumt, diesen abstrakten Bereich zu verlassen und nachzuweisen, dass die konkrete Geschäftstätigkeit des (Lizenz-)Gläubigers nexus-konform ausgestaltet ist. Das Fehlen einer solchen Escape-Klausel ist eine der wesentlichen Schwachstellen des § 4j EStG.
Rz. 150
"Heilung" über Nachweis der wirtschaftlichen Aktivität. Um ebendieser Schwachstelle zu begegnen, sollte der gegenwärtig fehlende Substanznachweis (jedenfalls) in EU-Konstellationen im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung "hineingelesen" werden können. Solcherart dürfte sich die in § 4j EStG normierte (Teil-)Abzugsbeschränkung verbieten, wenn es dem (Lizenz-)Gläubiger gelingt, seine wirtschaftliche Aktivität sowie die dafür erforderliche Substanz nachzuweisen. Hierbei ist zu beachten, dass der (Lizenz-)Gläubiger die entsprechenden Nachweise regelmäßig bereits für Freistellungs- bzw. Erstattungsanträge nach § 50c EStG i.V.m. mit der Anti-Missbrauchs-Regel i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG beim BZSt vorgelegt haben dürfte. Hierauf sollte sich der inländische Lizenznehmer zusätzlich berufen. Denn auch wenn die Anti-Missbrauchs-Regelung i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG in Kontext mit Freistellungs- bzw. Erstattungsanträgen i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG dazu dient, die Erlangung von Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen bei Zwischenschaltung ausländischer Gesellschaften (Treaty bzw. (EU-)directive-shopping) zu verhindern, ist (auch) für diese Zwecke der Nachweis von Substanz auf Ebene des Antragsstellers ((Lizenz-)Gläubiger) entscheidend. Entsprechend erscheint es nicht konsequent, eine Freistellungsbescheinigung nach erfolgreicher Darlegung bzw. Prüfung der Substanzerfordernisse i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG zu erteilen, den Substanznachweis für Zwecke des § 4j EStG hingegen in Frage zu stellen.