Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
(1) Allgemeines
Rz. 301
Substanztest. Nach § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Var. 3 ist eine Tätigkeit keine Wirtschaftstätigkeit, soweit sie mit einem für den Geschäftszweck nicht angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgeübt wird. Damit wird der bisher in der Altfassung des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG enthaltene sog. Substanztest in modifizierter Form auch in die Neufassung übernommen. Gestrichen wurde in der Neufassung des AbzStEntModG das Erfordernis der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (vgl. dazu Rz. 307) und das "für ihren Geschäftszweck" wurde in "für den Geschäftszweck" geändert (vgl. zu Fragen der Merkmalsübertragung oder des Outsourcings Rz. 354 ff.).
Rz. 302
Praktische Bedeutung. Der Substanztest ist in der praktischen Anwendung einer der wichtigsten Bestandteile des § 50d Abs. 3 EStG. Regelmäßig wird nämlich die persönliche Entlastungsberechtigung fehlen, sodass es für die Gewährung des Entlastungsanspruchs darauf ankommen wird, dass die sachliche Entlastungsberechtigung des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht fehlt, d.h. die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nr. 2 nicht erfüllt werden (vgl. zur praktischen Bedeutung der Nr. 2 Rz. 241). Dafür ist zwingend erforderlich, dass der Substanztest bestanden wird, da sonst schon keine Wirtschaftstätigkeit vorliegt (vgl. zur Systematik Rz. 303). Wenn die Hürde des Substanztests genommen ist, muss in einem zweiten Schritt der wesentliche Zusammenhang der Einkunftsquelle mit dieser Wirtschaftstätigkeit dargelegt werden (vgl. dazu Rz. 401 ff.). Beides muss in der Steuerplanung akribisch berücksichtigt werden.
Rz. 303
Systematik. Im Vergleich zum Aktivitätstest (Var. 1, Rz. 257 ff.) und zum Durchleitungstest (Var. 2, vgl. Rz. 272 ff.), die beide eine bestimmte Art der Tätigkeit aus dem Begriff der Wirtschaftstätigkeit ausschließen, formuliert der Substanztest bestimmte Anforderungen an die Qualität einer jeden Tätigkeit, die für die Einordung als Wirtschaftstätigkeit erfüllt werden müssen (s. ausf. oben Rz. 255). Da der Substanztest somit jede Tätigkeit umfasst, regelt er die qualitativen Voraussetzungen, die eine Tätigkeit zu einer Wirtschaftstätigkeit machen, nämlich das Wirtschaften mit einem hierzu angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb. Wie bereits dargelegt wurde, ist das Bestehen des Substanztests notwendige Voraussetzung dafür, dass eine Tätigkeit als Wirtschaftstätigkeit qualifiziert, und dessen Nichtbestehen zwangsweise "schädlich" für die Annahme einer Wirtschaftstätigkeit (vgl. Rz. 255). Wird der Substanztest für eine Wirtschaftstätigkeit (mehrere Wirtschaftstätigkeiten sind nach ihrem Geschäftszweck getrennt zu behandeln, vgl. Rz. 313) nicht bestanden, liegt zwangsweise keine Wirtschaftstätigkeit vor und die sachliche Entlastungsberechtigung fehlt. Fehlt zugleich auch die persönliche Entlastungsberechtigung, ist der Entlastungsanspruch nach § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG zu versagen. Die Körperschaft ist dann auf das erfolgreiche Führen eines Gegenbeweises angewiesen (§ 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG).
Rz. 304
Verhältnis zu § 8 Abs. 2 AStG (sog. Motivtest). Im Rahmen der Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) findet sich der Sache nach ein ähnlicher Substanztest (dort überwiegend als "Motivtest" bezeichnet) in § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG. Hierzu hat die Finanzverwaltung jüngst mit BMF-Schreiben vom 17.3.2021 Stellung bezogen, was im Schrifttum auf erhebliche inhaltliche Kritik gestoßen ist. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG setzt das Bestehen einer "wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit" insbesondere "den Einsatz der für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen sachlichen und personellen Ausstattung in diesem [ausländischen] Staat voraus". Die Tätigkeit muss ferner durch "hinreichend qualifiziertes Personal selbständig und eigenverantwortlich ausgeübt werden." Da auch bislang von der Finanzverwaltung die Substanzanforderungen in § 50d Abs. 3 EStG und § 8 Abs. 2 AStG weitgehend deckungsgleich ausgelegt wurden, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die zu § 8 Abs. 2 AStG verlautbarte Auffassung der FinVerw auch auf § 50d Abs. 3 EStG übertragen wird. Die auf den ersten Blick erscheinenden Parallelen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich beide Regelungen in mehrerlei Hinsicht voneinander unterscheiden (vgl. Rz. 25, 243) und eine Übertragungder rechtlichen Maßstäbekritisch hinterfragt werden muss. Zunächst setzt § 8 Abs. 2 AStG eine "wesentliche" wirtschaftliche Tätigkeit voraus und beruht auf spezifischen Missbrauchsregelungen der ATAD (und nicht – wenn man dies überhaupt bejaht – auf der allgemeinen Missbrauchsnorm des Art. 6 ATAD, vgl. aber Vor § 50d Abs. 3 EStG Rz. 66 ff.), deren Inhalte nicht unbesehen auf § 50d Abs. 3 EStG übertragen werden können. Zudem betrifft die Hinzurechnungsbesteuerung einen Outboundfall und verfolgt die Sicherstellung der Besteuerung nach dem Welteinkommensprinzip, wohingegen § 50d Abs. 3 EStG einen I...