1. Betroffene Entlastungsansprüche (Satz 1 und 2)
a) Überblick
Rz. 25
Beschränkter Anwendungsbereich. Der Anwendungsbereich des § 50j EStG ist in mehrfacher Hinsicht beschränkt. Die zusätzlichen Voraussetzungen, die ein Steuerpflichtiger erfüllen muss, um eine Erstattung von Kapitalertragsteuer auf der Grundlage des in seinem Fall anzuwendenden Steuersatzes zu erhalten (s. Rz. 58 ff.), gelten nur bei bestimmten Einkünften aus Kapitalvermögen (s. Rz. 28 ff.) und lediglich für besonders qualifizierte Entlastungsansprüche, die auf einem DBA beruhen müssen (s. Rz. 47 ff.), sowie darüber hinaus allein im Rahmen des Erstattungsverfahrens beim BZSt nach § 50d Abs. 1 EStG (s. Rz. 54 ff.). Nach der Gesetzesbegründung soll der beschränkte Anwendungsbereich eine Konzentration der Vorschrift auf die "risikobehafteten und fiskalisch relevanten Fälle" bewirken.
Rz. 26
Kritik: "Leerlaufen". Die in der Literatur recht weit verbreitete Sichtweise, wonach die Regelung des § 50j EStG aufgrund ihres begrenzten Anwendungsbereichs (s. Rz. 25) weitgehend leerlaufe, ist eine Fehleinschätzung. Allein die bedeutende Erschwerung von missbräuchlichen Gestaltungen unter Beteiligung US-amerikanischer Pensionsfonds (vgl. Rz. 47), die sich § 50j EStG verdankt, hätte seine Einführung bereits gerechtfertigt. Die Anreize zu derartigen Gestaltungen, die auch in der Verwaltungspraxis des BZSt festzustellen waren, sowie die Anreize zu vergleichbaren Gestaltungen, die sich auch ohne die Beteiligung US-amerikanischer Pensionsfonds mit anderen, ähnlich privilegierten Steuerpflichtigen durchführen ließen (vgl. Rz. 90), werden durch die Regelung des § 50j EStG in großem Umfang unterbunden. Dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 50j EStG weiterhin missbräuchliche Gestaltungsmöglichkeiten existieren (vgl. Rz. 91 und 99), versteht sich dabei fast von selbst, schmälert aber nicht den Beitrag zur steuerlichen Missbrauchsbekämpfung, den diese Regelung leistet.
Rz. 27
Kritik: überbordender Anwendungsbereich. In umgekehrter Weise wird zum Teil in der Literatur auch die Auffassung vertreten, dass die Regelung des § 50j EStG über ihr Ziel, "Cum/Cum-Treaty-Shopping" zu unterbinden (s. Rz. 8), hinausschießt. Dies sei Folge des "überbordenden Wortlauts der Norm", ohne dass diese Sichtweise näher erläutert wird.
b) Bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen
aa) Überblick
„(1) [1] ... Kapitalerträgen im Sinne des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a ...
[2] Satz 1 gilt entsprechend für Anteile oder Genussscheine, die zu inländischen Kapitalerträgen im Sinne des § 43 Absatz 3 Satz 1 führen ...”
Rz. 28
In erster Linie: Dividenden aus börsengehandelten Aktien in Streubesitz. Die zusätzlichen Voraussetzungen für eine Entlastung von der Kapitalertragsteuer gelten nur im Hinblick auf Kapitalertragsteuer, die auf bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen erhoben wurde. Nach den Sätzen 1 und 2 des Abs. 1 sind nur laufende Einkünfte aus Aktien und bestimmten Genussscheinen betroffen (s. Rz. 30 ff.) und auch nur dann, wenn die Aktien oder Genussscheine in bestimmter Weise verwahrt werden (s. Rz. 38 ff.). Darüber hinaus schließt Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Einkünfte aus bestimmten Schachtelbeteiligungen gänzlich aus (s. Rz. 46). Im Ergebnis richten sich die zusätzlichen Entlastungsvoraussetzungen des § 50j EStG vor allem an ausländische Inhaber deutscher börsengehandelter Aktien, die sich in Streubesitz befinden. Diese Form von Kapitalvermögen ist besonders leicht übertragbar und wird gegenwärtig täglich in bedeutendem Umfang gehandelt, weshalb sie sich besonders für missbräuchliche steuerliche Gestaltungen eignet, die durch die Regelung des § 50j EStG verhindert werden sollen (vgl. Rz. 8 ff.).
Rz. 29
Gebotene einschränkende Auslegung des Satzes 2. Der Wortlaut des Satzes 2, der den Anwendungsbereich des § 50j EStG lediglich im Hinblick auf eine bestimmte ausländische Verwahrform erweitern soll (s. Rz. 44), ist misslungen. Eine bloße Orientierung der Auslegung des Satzes 2 an seinem Wortlaut würde die durch § 50j EStG erfassten Einkünfte aus Kapitalvermögen weit über den Anwendungsbereich seines Satzes 1 hinausführen, dies jedoch nur insoweit, wie sie aus Wertpapieren resultierten, die im Ausland verwahrt werden sollen. Dieses Ergebnis widerspräche sowohl dem Telos des § 50j EStG als auch dem Unionsrecht. Aus diesem Grund muss die Auslegung des Satzes 2 seinen Wortlaut in mehrfacher Hinsicht begrenzen (s. Rz. 30, 32, 36 und 42).