Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
1. Allgemeines
Rz. 73
Allgemeines. Der Begriff des Anwendungsbereichs meint eine (typisierende) Ermittlung und Abgrenzung der Sachverhalte, auf die eine Norm (hier § 50d Abs. 3 EStG) abstrakt anwendbar ist. Der Begriff des Geltungsbereichs betrifft hingegen die Reichweite der Verbindlichkeit einer Norm, die sich aus der Gesetzgebungshoheit ergibt und sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezieht. Der Anwendungsbereich einer Norm kann aber auch über ihren Geltungsbereich hinausgehen, daher auch Sachverhalte betreffen, die im Ausland verwirklicht werden. Auch wenn der Anwendungsbereich einer Norm streng genommen aus der Gesamtheit ihrer Tatbestandsmerkmale abzuleiten ist (d.h. schlicht die Auslegung des Tatbestands im Gegensatz zu seiner Rechtsfolge betrifft), dient es gleichwohl der Systematisierung, vorab als "Anwendungsbereich" den abstrakt-typisierten Regelungsbereich des § 50d Abs. 3 EStG in persönlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht darzustellen. Für die praktische Anwendung ist es hilfreich, diese aus dem Tatbestand herausgehobenen Merkmale als "Grobfilter" vorab zu prüfen, bevor in die Prüfung der "Kern-Tatbestandvoraussetzungen" eingestiegen wird. Die Einzelheiten der betroffenen Merkmale werden bei der Kommentierung der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen dargelegt.
2. Persönlicher Anwendungsbereich
Rz. 74
Persönlicher Anwendungsbereich. Persönlich anwendbar ist § 50d Abs. 3 EStG auf (inländische und ausländische) Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Das sind alle Rechtsträger, die (abstrakt) Körperschaftsteuersubjekt sein können (ausf. dazu Rz. 99 ff.). Auf eine unbeschränkte oder beschränkte Körperschaftsteuerpflicht kommt es nicht an; § 50d Abs. 3 EStG ist auf beide Fälle anwendbar.
3. Sachlicher Anwendungsbereich
Rz. 75
Sachlicher Anwendungsbereich. In sachlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich des § 50d Abs. 3 EStG in zweifacher Weise beschränkt (ausf. Rz. 135 ff.). § 50d Abs. 3 EStG ist sachlich nur anwendbar auf:
Auf alle anderen Ansprüche, die diese Kriterien nicht erfüllen, ist § 50d Abs. 3 EStG nicht anwendbar (s. zu Beispielen nicht erfasster Ansprüche Rz. 160 ff.).
4. Zeitlicher Anwendungsbereich
a) Grundsätzliches, Überblick
Rz. 76
Grundsätzliches. In der Rechtsanwendungspraxis ist hinsichtlich der Anwendung einer Norm zwischen zwei Zeitpunkten zu differenzieren (s. auch Rz. 607 ff.): Zum einen der Zeitpunkt, zu dem sich der unter den Tatbestand zu subsumierende Sachverhalt ereignet hat, zum anderen der Zeitpunkt der praktischen Anwendung einer Norm durch einen Rechtsanwender (z.B. Behörde, Gericht). Der erste Zeitpunkt betrifft denjenigen, zu dem eine Rechtsnorm durch Verwirkung ihres Tatbestandes unmittelbar oder mittelbar eine (Verhaltens-)Pflicht aufstellt; ab welchem Zeitpunkt die Verwirklichung eines Sachverhalts die Rechtsfolge einer Norm auslösen kann, ist eine Frage der zeitlichen Anwendbarkeit dieser Norm (sog. zeitlicher Anwendungsbereich). Dies wird durch den Rechtsanwendungsbefehl einer Norm geregelt, der Teil der materiellen Rechtssetzung ist (vgl. etwa § 52 EStG). Die Frage des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm betrifft mithin die Frage, auf welche Sachverhalte der Lebenswirklichkeit die Rechtsfolge einer Norm angewendet werden soll. Mit anderen Worten meint der zeitliche Anwendungsbereich also den Zeitpunkt, ab dem die Norm in der Weise "scharf gestellt ist", dass der Steuerpflichtige den Tatbestand mit dem Auslösen der Rechtsfolge verwirklichen kann; geklärt wird die Frage, welche Sachverhalte unter den Tatbestand zu subsumieren sind. Der zeitliche Anwendungsbereich betrifft hingegen nicht den (letztlich zufälligen) Zeitpunkt, ab dem der Rechtsanwender eine Norm auf einen irgendwann in der Vergangenheit verwirklichten Sachverhalt praktisch anzuwenden hat (s.w.u.), vielmehr folgt aus dem zeitlichen Anwendungsbereich die Anordnung, auf welche Fälle der Rechtsanwender eine Norm anzuwenden hat. So bedeutet etwa die zeitliche Anwendbarkeit einer Norm ab dem 1.1.2022 nicht, dass der Rechtsanwender ab dem 1.1.2022 nunmehr sämtliche auf seinem Schreibtisch landende Fälle nach dieser Neuregelung zu beurteilen hätte. Von der zeitlichen Anwendbarkeit zu trennen ist ferner die Frage des Inkrafttretens einer Norm als dem Zeitpunkt, zu dem sie Teil des geltenden Rechts wird, also Geltung erlangt; so kann eine Norm zum 1.6.2021 in Kraft getreten sein, aber erst für ab dem 1.1.2022 verwirklichte Sachverhalte anzuwenden sein. Der zweite Zeitpunkt betrifft denjenigen, zu dem ein Rechtsanwender (z.B. Behörde, ...