Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld, Gary Rüsch
1. Anwendung auf Doppelbesteuerungsabkommen
„ [4] Bestimmungen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, ...”
Rz. 119
Hintergrund. § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG enthält eine gesonderte Regelung für Doppelbesteuerungsabkommen, auch wenn die Vorschrift aufgrund ihrer systematischen Stellung zunächst den Eindruck macht, unmittelbar zum Anwendungsbereich von § 50d Abs. 9 EStG zu gehören. Es wird aber "lediglich" eine Änderung für den unilateralen Anwendungsbereich von § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG (von "wenn" zu "soweit", s. Rz. 56 ff.) zum Anlass genommen, diese Änderung auch in den abkommensrechtlichen Anwendungsbereich bestimmter Vorschriften (s. Rz. 122) in deutschen DBA zu transportieren. Vor diesem Hintergrund wäre es systematisch vorzugswürdig gewesen, wenn man für die Anordnung zumindest einen eigenen Absatz vorgesehen hätte. Auch wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zur Gesamtvorschrift damit zu verneinen ist, hat die Regelung eine (vorgelagerte) Bedeutung für all jene Vorschriften, die an eine abkommensrechtliche Steuerfreistellung anknüpfen – somit auch für § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG –, weil diese durch § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG modifiziert wird (s. Rz. 125).
Rz. 120
Anwendungsbereich. § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG bezieht sich auf die "Bestimmungen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung" und gilt damit für abkommensrechtliche Vorschriften, dort aber nur für bestimmte Regelungstypen (s. Rz. 122). Dabei ist die Einschränkung auf das Abkommensrecht nicht als eingeschränkter Anwendungsbereich zu verstehen, weil die von § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG normierte Rechtsfolge – die Erfassung von Einkunftsteilen (s. Rz. 125) – von den vergleichbaren innerstaatlichen Vorschriften bereits umgesetzt wird.
2. Korrespondierende Besteuerungstatbestände
..., nach denen Einkünfte aufgrund ihrer Behandlung im anderen Vertragsstaat nicht von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen werden, ...
Rz. 121
Keine abkommensrechtliche Steuerfreistellung. Die abkommensrechtlichen Vorschriften (s. Rz. 122) müssen dazu führen, dass eine eigentlich vorgesehene Steuerfreistellung von Einkünften eingeschränkt wird ("nicht von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen"). Eine abkommensrechtliche Steuerfreistellung kann sich aus den Verteilungsartikeln (Art. 6–22 OECD-MA) mit abschließender Rechtsfolge und aus der im Methodenartikel vereinbarten Freistellungsmethode (Art. 23A OECD-MA) ergeben. Dabei normiert die Vorschrift dem Wortlaut nach keine Einschränkung auf eine der beiden Artikelkategorien, weil Einkünfte auch bei einer Steuerfreistellung durch die Verteilungsartikel "von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen" werden. Der Gesetzgeber spricht zwar nur von der Freistellungsmethode, er strebt aber eine uneingeschränkte Erfassung auch von Einkunftsteilen an.
Rz. 122
Aufgrund ihrer Behandlung. Eine abkommensrechtliche Steuerfreistellung kann auf Abkommensebene durch die verschiedensten Vorschriften eingeschränkt werden, § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG erfasst aber nur jene Regelungstypen, die eine abkommensrechtliche Freistellung der Einkünfte "aufgrund ihrer Behandlung" versagen. Das könnte bei unbefangenem Blick dafürsprechen, sämtliche Abkommensvorschriften einzubeziehen, die eine Steuerfreistellung einschränken, weil Einkünfte bei der Anwendung steuerlicher Vorschriften stets "irgendwie" steuerlich behandelt werden. Dieses Verständnis liegt § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG jedoch nicht zugrunde. Die abkommensrechtliche Freistellung muss infolge eines korrespondierenden Besteuerungstatbestands eingeschränkt werden. Hiermit sind Vorschriften gemeint, die einen ausdrücklich formulierten Besteuerungsvorbehalt enthalten, der ein Abhängigkeitsverhältnis zu anderweitigen Besteuerungsmerkmalen normiert. Innerhalb dessen werden – nach unterschiedlicher Auffassung im Schrifttum – sämtliche Vorschriften erfasst, was für eine gleichmäßige Verwirklichung des gesetzgeberischen Anliegens auch konsequent erscheint. Es geht somit...