Prof. Dr. Vassil Tcherveniachki
1. Vorschriften der AO
Rz. 13
Verhältnis zu § 39 AO. Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Die Vorschrift geht davon aus, dass im Regelfall der zivilrechtliche Eigentümer gleichzeitig auch der wirtschaftliche Eigentümer i.S.e. wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist. Diese Regelzurechnung basiert auf der Vermutung, dass der zivilrechtliche Eigentümer über Substanz und Ertrag eines Wirtschaftsguts uneingeschränkt verfügen kann. Eine vom Zivilrecht abweichende steuerliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern kommt nur in den von § 39 Abs. 2 AO erfassten Konstellationen in Betracht. Dabei handelt es sich lediglich um Ausnahmefälle, in denen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinanderfallen. Solche Ausnahmefälle liegen insbesondere dann vor, wenn ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer von der dauernden Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Damit ist § 39 AO der Vorschrift des § 4k EStG vorrangig. Erst nach einer Zurechnung des zivilrechtlichen und ggf. davon abweichenden wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 AO stellt sich die Frage, ob gemäß § 4k Abs. 1 Satz 1 EStG eine divergierende Zurechnung des Kapitalvermögens in Folge einer hybriden Gestaltung vorliegt. Eine Ausnahme vom Vorrang des § 39 AO regelt § 4k Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach bei hybriden Gestaltungen mit Personengesellschaften eine Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ausgeschlossen wird.
Rz. 14
Verhältnis zu § 42 AO. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem angestrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Eine unangemessene Gestaltung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht einsetzt, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Im Rahmen des Einsatzes von hybriden Finanzinstrumenten und Strukturen scheidet die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs jedenfalls dann aus, wenn mit Hilfe einer hybriden Finanzierungstruktur Steuervorteile (z.B. Steuerminderung durch Zinsabzug) im Ausland erzielt werden. Liegt indessen die Erzielung des Steuervorteils im Inland, ist die Spezialnorm, hier § 4k EStG vorranging anzuwenden. Umstritten ist allerdings, ob eine Spezialnorm wie § 4k EStG gleichzeitig eine Abschirmwirkung gegen die nachrangige Anwendung von § 42 AO entfaltet. Die sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum überwiegend vertretene Auffassung geht zurecht von einer Abschirmwirkung aus, sodass bei fehlender Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 4k EStG keine nachgelagerte Anwendung des § 42 AO folgt. Ob wiederum eine vorgelagerte Anwendung von § 42 AO denkbar ist, wenn die missbräuchliche Steuergestaltung der Spezialnorm selbst auf eine missbräuchliche Gestaltung i.S.d. § 42 AO zurückzuführen ist (z.B. Basisgesellschaft), ist Gegenstand der aktuellen Rechtsprechung und noch nicht eindeutig geklärt. Eine vorranginge Anwendung des § 42 AO wäre jedenfalls in den Fällen denkbar, in denen der Gläubiger von Aufwendungen als substanzlose (Briefkasten-)Gesellschaft steuerlich nicht anzuerkennen ist.
Rz. 15
Verhältnis zu §§ 138d ff. AO. Die Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen gemäß §§ 138d ff. AO sowie das Betriebsausgabenabzugsverbot bei Besteuerungsinkongruenzen gemäß § 4k EStG stehen im Hinblick auf den Einsatz von hybriden Finanzinstrumenten und hybriden Strukturen in einem "Konkurrenzverhältnis" zueinander. Zu den meldepflichtigen Steuergestaltungen gehört nach § 138e Abs. 1 Nr. 2 AO eine standardisierte Struktur, welche bei allen hybriden Gestaltungsformen (hybride Finanzinstrumente, hybride Übertragungen, umgekehrt hybride Rechtsträger, hybride Betriebsstätten, importierte Besteuerungsinkongruenzen) zum Ausdruck kommen kann. Meldepflichtig sind gemäß § 138e Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO Gestaltungen, die zur Umwandlung von steuerpflichtigen Einkünften in steuerfreie Einnahmen, in niedrig besteuerte Einnahmen oder in nicht steuerbare Einkünfte führen, sowie gemäß § 138e Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e Doppelbuchst. aa AO Strukturen, die zur vollständigen Steuerbefreiung von Zahlungen beim Empfänger führen. Da es sich aber bei § 138e Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO und § 138e Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e Doppelbuchst. aa AO jeweils um bedingte Kennzeichen handelt, welche für die Mitteilungs...