Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
1. Allgemeines
Rz. 701
Maßgebliche Belastungsgrenze. Nach § 8 Abs. 3 stellt die Niedrigbesteuerung nur auf die Belastung mit Ertragsteuern ab. Dies ist insoweit bedenklich, als das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern im Ausland ein wesentlich anderes als das im Inland sein kann. Auch können sich erhebliche Unterschiede bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach in- und ausländischem Steuerrecht ergeben. Ferner fehlt jeder Vergleich mit der Steuer, die angefallen wäre, wenn die ausländische Gesellschaft nicht zwischengeschaltet worden wäre. In diesem Sinn ist die Regelung in Einzelfällen willkürlich. Die Niedrigbesteuerung setzte ursprünglich unterhalb einer Belastungsgrenze von 30 Prozent an. Dies sollte etwa der Hälfte der körperschaftsteuerlichen Belastung thesaurierter Gewinne nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts entsprechen. Obwohl der KSt.-Satz für thesaurierte Gewinne in Deutschland wiederholt abgesenkt wurde, sah sich der Gesetzgeber nicht in der Pflicht, auch die Belastungsgrenze für die Niedrigbesteuerung herabzusetzen. Als der KSt.-Satz für die Zeit ab 2001 auf 25 Prozent abgesenkt wurde, sah der Gesetzgeber nur die Notwendigkeit, die Grenze für die Niedrigbesteuerung auf unterhalb von 25 Prozent abzusenken. Nach dem 1. Gesetzesentwurf der Bundesregierung sollte sie schon bei genau 25 Prozent einsetzen. Von der Orientierung an der Hälfte des deutschen Thesaurierungssatzes ist also keine Rede mehr. Auf Grund des UntStRefG v. 14.8.2007 beträgt der KSt.-Satz ab 2008 nur noch 15 Prozent. Wiederum hat der Gesetzgeber keine Veranlassung gesehen, die Niedrigsteuergrenze auf ein vergleichbares Niveau herabzusetzen. Als Begründung wird angeführt, dass die GewSt.-Belastung mit zu berücksichtigen sei. Dieser Einwand ist wenig überzeugend. Nach § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG beträgt die Belastung einer inländischen Kapitalgesellschaft mit KSt., SolZ und GewSt. mindestens 22,83 Prozent des "Gewinns". Wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Mindestbelastung gesetzlich festlegt, kann er keine auf einer missbräuchlichen Gestaltung aufbauende Hinzurechnungsbesteuerung auch bei einer Belastung zwischen 24,999 Prozent und 22,83 Prozent eingreifen lassen. Es kommt hinzu, dass ausländische Zwischengesellschaften nicht nur gewerbliche Einkünfte, sondern ebenso Einkünfte aus Vermögensverwaltung erzielen. Einkünfte aus Vermögensverwaltung unterliegen aber nicht der GewSt. Ferner steht es jedem inländischen Unternehmen frei, Funktionen in eine ausländische Betriebsstätte zu verlagern. Die in der ausländischen Betriebsstätte erzielten Einkünfte unterliegen jedoch nicht der GewSt. Insoweit besteht kein Rechtfertigungsgrund, Zwischeneinkünfte anders als ausländische Betriebsstätteneinkünfte zu besteuern. Dies belegt auch § 20 Abs. 2, der den genannten Grundsatz nur bestätigt. Die Vorgehensweise des Gesetzgebers ist deshalb äußerst fragwürdig. Hinzu kommt, dass es bei einer ausländischen Ertragsteuerbelastung zwischen 15 und 24,999 Prozent zu erheblichen Anrechnungsüberhängen kommen kann, weil der Hinzurechnungsbetrag neben der KSt. auch der GewSt. unterliegt, die ausländische Steuer aber nur auf die (niedrige) KSt. von 15 Prozent anrechenbar ist (vgl. Anm. 703). Die Hinzurechnungsbesteuerung oberhalb einer Belastung von 14,999 Prozent (jedenfalls aber über 22,83 %) ist auch EG-rechtlichen Bedenken ausgesetzt, weil eine grenzüberschreitende Beteiligung nicht als (widerlegbarer) Missbrauch typisiert werden darf, die bei vergleichbarer Gestaltung im Inland nicht beanstandet werden würde, obwohl auch dort ein Steuergefälle genutzt werden kann. In Großbritannien, den Niederlanden, Bulgarien, Estland, Irland und Lettland liegt der KSt.-Satz unter 25 v.H.
Rz. 702
Beispielsfall. Die Widersprüche, die sich aus der Nichtberücksichtigung des KSt.-Satzes von 15 Prozent bei der Ermittlung der Niedrigbesteuerung ergeben, mögen durch das folgende Beispiel verdeutlicht werden.
Beispiel
Eine in einem DBA-Staat ansässige ausländische Kapitalgesellschaft ist Eigentümerin von im Inland belegenen bebauten Grundstücken, die vermietet sind. Die Kapitalgesellschaft ist mit den Mieteinkünften im Inland beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Die KSt.-Belastung beträgt 15 Prozent. Es fällt keine GewSt an. Gesellschafter der ausländischen Kapitalgesellschaft zu jeweils 100 Prozent sollen alternativ entweder inländische Kapitalgesellschaften oder im Inland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen sein. Es wird davon ausgegangen, dass die Mieteinkünfte im Sitzstaat der ausländischen Kapitalgesellschaft auf Grund des DBA steuerfrei sind.
Die Mieteinkünfte sind mit 15 Prozent niedrig besteuert, obwohl die Höhe der Steuerbelastung auf einer Entscheidung allein des deutschen Gesetzgebers beruht. Der deutsche Gesetzgeber erklärt mit anderen Worten die von ihm selbst geschaffene Steuerbelastung von 15 Prozent als missbräuchlich i.S. der Hinzurechnungsbesteuerung. Die Mieteinkünfte sind auch passiv,...