Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 771
Geringfügige Abweichungen. § 8 Abs. 3 bestand in seiner für die Wirtschaftsjahre 2001–2007 geltenden Fassung nur aus einem Satz. Die vorher geltende Fassung bestand dagegen aus zwei Sätzen. Der Satz 2 ersetzt gewissermaßen die vorher geltende zweite Alternative, die ihrerseits seit dem 1.1.2008 ersatzlos weggefallen ist. Eine weitere Änderung besteht darin, dass im JStG 2008 der Begriff "vom Hundert" durch "Prozent" ersetzt wurde.
Rz. 772
Zwei Alternativen. § 8 Abs. 3 regelte in seiner für die Wirtschaftsjahre 2001–2007 geltenden Fassung die Niedrigbesteuerung in zwei selbständig nebeneinander stehenden Alternativen. Die hier angesprochene 1. Alternative betraf die Belastung der sog. Zwischeneinkünfte mit Ertragsteuern. Sie ist mit der heute geltenden Niedrigbesteuerung identisch, wenn man berücksichtigt, dass es für die Wirtschaftsjahre 2001–2007 nur auf die rechtlich geschuldete und nicht auf die tatsächlich erhobene Steuer ankam. Unter "Belastung" war deshalb nicht in jedem Fall die effektiv gezahlte oder die erhobene Steuer, sondern die abstrakt auf die Einkünfte zu erhebende Steuer zu verstehen, dh. die Steuer, die bei richtiger Behandlung hätte festgesetzt werden müssen. Dies gilt vor allem für Steuerveränderungen, die außerhalb der Steuerfestsetzung im engeren Sinne liegen. So kann zB die geschuldete Steuer durch einen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen gemindert werden, dem Erfüllungswirkung beizumessen ist, weshalb er die Existenz einer Steuerschuld begrifflich nicht ausschließt. Die 2. Alternative findet ab den Wirtschaftsjahren, die nach dem 31.12.2007 beginnen, keine Anwendung mehr.
Rz. 773
Verfehltes Festhalten am alten Gesetzestext. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung enthält in der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 3 den Hinweis, dass das bisherige Abstellen nur auf die Steuerbelastung der ausländischen Zwischengesellschaft im Sitz- oder Geschäftsleitungsstaat ohne "einsichtigen Grund" ist. Die Bundesregierung hat aber die Konsequenz aus dieser Erkenntnis in der zweiten Alternative des § 8 Abs. 3 nicht mehr gezogen. Richtigerweise hätte auch insoweit auf die konkrete Steuerbelastung abgestellt werden müssen. Die Tatsache, dass der "betreffende Staat" eine Steuerermäßigung gewährt, besagt nichts darüber, ob nicht trotz Steuerermäßigung eine Hochbesteuerung besteht bzw. ob nicht auf Grund der Steuerbelastung in einem anderen Staat eine Hochbesteuerung besteht. Eigentlich hätte die zweite Alternative ersatzlos gestrichen werden müssen. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung reagieren wird, wenn sie diese "Panne" erkennt.
Rz. 774
Bei der ursprünglichen Schaffung der 2. Alternative des § 8 Abs. 3 aF hatte man vor allem an den Fall einer englischen Holding gedacht.
Beispiel
Eine englische Holdinggesellschaft H erzielt Beteiligungserträge aus einer brasilianischen Gesellschaft Y. Die Ausschüttung bei Y führt idR zur Erhebung einer Quellensteuer, deren Steuerschuldner aber der Ausschüttungsempfänger ist. Diese im Heimatstaat des Empfängers idR anzurechnende Quellensteuer (vgl. § 34 c EStG, § 26 KStG) ist in § 8 Abs. 3 nicht angesprochen. Angesprochen ist vielmehr die von der brasilianischen Gesellschaft auf die von ihr erzielten Gewinne gezahlte brasilianische Ertragsteuer. Das englische Steuerrecht sieht vor, dass diese Steuern, obwohl die brasilianische Gesellschaft allein Schuldner dieser Steuern ist, auf die von der englischen Holding in England zu zahlende Steuer anrechenbar ist. Im deutschen Recht gab es eine vergleichbare Regelung in § 26 Abs. 2–5 KStG aF.
Rz. 775
Dieser im englischen Recht vorgesehene internationale "indirect tax credit" ist für die Auslegung von § 8 Abs. 3 nF ohne Bedeutung, weil Beteiligungserträge nach § 8 Abs. 1 Nr. 8 als Einkünfte aus aktivem Erwerb einzustufen sind. Die Neufassung kann sich deshalb nur auf andere "Steuerminderungen" beziehen. Dabei irritiert, dass es sich um Steuerminderungen nach dem Recht des betreffenden Staates handeln soll. Der "betreffende Staat" war nach der vor 2001 geltenden Fassung der Sitz- oder Geschäftsleitungsstaat. Dieses Merkmal ist in der Neufassung entfallen, weshalb der Ausdruck keinen logischen Bezug mehr hat. Stellt die Niedrigbesteuerung auf die Steuerbelastung insgesamt an, kann es nicht mehr auf eine Steuerminderung in nur einem Staat ankommen. Entscheidend ist vielmehr allein, ob auf Grund der Minderung die Grenze von 25 Prozent unterschritten wird oder nicht. Der Gesetzgeber hat hier nicht aufgepasst. Die Regelung ist unsinnig.
Rz. 776
Nach dem Wortlaut von § 8 Abs. 3 aF führte jede Steuerminderung nach dem Recht des betreffenden Staates zu einer Niedrigbesteuerung. Nach dem Grund und dem Ausmaß der Steuerminderung wird ebenso wenig gefragt wie nach der Steuerbelastung in anderen Staaten. Damit ist der Widerspruch zur 1. Alternative evident. Da das Gesetz dort nicht darauf abstellt, weshalb eine niedrige Besteuerung besteht,...