Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
(4) [1] Kann ein immaterieller Wert nicht eindeutig zugeordnet werden, so ist eine Zuordnung vorzunehmen, die den Absätzen 1 bis 3 nicht widerspricht.
Rz. 3056
Beurteilungsspielraum des Unternehmens. Lässt sich nicht eindeutig ermitteln, in welcher Betriebsstätte die Personalfunktion mit der größten Bedeutung für einen immateriellen Wert ausgeübt wird, hat das Unternehmen einen Beurteilungsspielraum, der sich jedoch auf diejenigen Betriebsstätten beschränkt, für die eine Zuordnung grundsätzlich infrage kommt, weil in ihnen Personalfunktionen von erheblicher Bedeutung ausgeübt werden. Das heißt, wenn z.B. eine Zuordnung anhand der Regelvermutung ausscheidet, weil die entsprechende Personalfunktion von zwei Betriebsstätten in qualitativ und quantitativ vergleichbarem Rahmen ausgeübt werden, kann die Zuordnung nur zu diesen Betriebsstätten, nicht aber einer dritten erfolgen. Für immaterielle Werte stellt sich das Problem der gleichzeitigen Ausübung von potentiell maßgeblichen Personalfunktionen deutlich häufiger als bei anderen Zuordnungsgegenständen, da die Natur der immateriellen Werte z.B. auch eine gleichzeitige Nutzung, Weiterentwicklung usw. zulässt. Da der grundsätzliche Vorrang der Regelvermutung auch im Fall des § 6 Abs. 4 Satz 1 BsGaV gilt, besteht ein Beurteilungsspielraum des Unternehmens zwar insbesondere in Fällen der Personalfunktionenkonkurrenz (Anm. 2947) zwischen Personalfunktionen i.S.d. § 6 Abs. 2 BsGaV. Auch Fälle der gleichzeitigen und gleichrangigen Ausübung der nach der Regelvermutung maßgeblichen Personalfunktion (Erwerb/Schaffung) durch zwei Betriebsstätten sind bei immateriellen Werten jedoch möglich (Funktionsaufteilung, s. Anm. 3048). Die vom Unternehmen vorgenommene Zuordnung eines immateriellen Werts unter Beachtung des Beurteilungsspielraums nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BsGaV ist von der Finanzverwaltung anzuerkennen. Hierfür muss die Zuordnung nachvollziehbar erfolgen und begründet werden können (Anm. 3059).
Rz. 3057
Fiktive Lizenzierung. Die nach § 6 BsGaV vorgenommene Zuordnung von immateriellen Werten determiniert die im Zusammenhang mit dem immateriellen Wert anzunehmenden Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2. Insbesondere kann sie darüber entscheiden, ob eine fiktive Lizenzierung i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BsGaV (Anm. 3325) oder aber eine fiktive Veräußerung i.S.d. (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV, Anm. 3322) mit der Folge einer vollen Realisierung der mit dem immateriellen Wert verbundenen stillen Reserven vorliegt. Da immateriellen Werten häufig eine erhebliche Werthaltigkeit zukommt, ist die Zuordnungsentscheidung nach § 6 BsGaV von entscheidender Bedeutung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Bewertung immaterieller Werte i.d.R. anhand eines hypothetischen Fremdvergleichs i.S.d. § 1 Abs. 3 Sätze 8 f. auf der Grundlage der aus dem jeweiligen Geschäftsvorfall erwarteten Gewinne vorzunehmen ist (Anm. 2401 ff.), was erhebliche Bewertungsunsicherheiten zur Folge haben kann. Diese, insbesondere mit immateriellen Werten verbundenen, Rechtsunsicherheiten können – anders als im Verhältnis zwischen rechtlich selbständigen Unternehmen – im Betriebsstättenfall auch nicht durch Verträge ausgeschlossen/verringert werden, da solche Verträge zwischen unselbständigen Teilen eines einheitlichen Unternehmens nicht möglich sind (Anm. 2829). Die Finanzverwaltung hat dieses Problem erkannt und verweist ausdrücklich darauf, dass "das Unternehmen in Zweifelsfällen der Zuordnung eines immateriellen Werts eine Zuordnung vornehmen kann, die zu keiner Aufdeckung von stillen Reserven führt, solange die Zuordnung den Regelungen des § 6 Absatz 1 bis 3 BsGaV nicht widerspricht." Dies muss letztlich so verstanden werden, dass die Finanzverwaltung einen weiten Beurteilungsspielraum des Unternehmens annimmt, um den Schwierigkeiten einer rechtssicheren Zuordnungsentscheidung beizukommen. Dies wird dadurch ergänzt, dass das auf die Lizenzierung eines Transferpakets gerichtete Wahlrecht des § 4 Abs. 2 FVerlV auch für Zwecke der betriebsstättenbezogenen Zuordnung von immateriellen Werten anwendbar ist (Anm. 3058).
Rz. 3058
Bezug zur Funktionsverlagerungsbesteuerung. Hinsichtlich der Frage, ob zwischen rechtlich selbständigen Unternehmen eine Funktionsverlagerung i.S.d. § 1 Abs. 3 Sätze 9 (Anm. 1201 ff.) anzunehmen ist oder eine bloße Lizenzierung ohne Übertragung von wirtschaftlichem Eigentums vorliegt, regelt § 4 Abs. 2 FVerlV, dass "in Zweifelsfällen" auf Antrag des Stpfl. von einer Lizenzierung auszugehen ist (Anm. 1242). Die Vorschriften zur Funktionsverlagerung sind grundsätzlich auch für betriebsstättenbezogene Sachverhalte anwendbar (Anm. 2818), was auch die analoge Anwendung der FVerlV einschließt. Sofern immaterielle Werte betroffen sind, die Teil einer potentiellen (fiktiven) Funktionsverlagerung zwischen Betriebsteilen sind, kann § 4 Abs. 2 FVerlV daher zur Anwendung kommen. Ob dies auch gilt, wenn der betroff...