Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 3508
Zuordnung der Versicherungsverträge als erster Schritt der Gewinnaufteilung. § 24 Abs. 1 BsGaV regelt, welchem Unternehmensteil ein Versicherungsvertrag und die mit dem Vertrag zusammenhängenden Vermögenswerte zuzuordnen sind. Durch die enge Verknüpfung von Versicherungsverträgen, den damit eingegangenen Versicherungsrisiken sowie den Vermögenswerten, insbesondere Kapitalanlagen, zur Deckung dieser Risiken kommt dieser Vorschrift zentrale Bedeutung für die gesamte Betriebsstättengewinnaufteilung bei Versicherungen zu. Ausgangspunkt für die Gewinnaufteilung ist folglich die Zuordnung des Versicherungsvertrags. Hierfür ist im ersten Schritt eine Funktionsanalyse durchzuführen, um die Betriebsstätte als eigenständiges und unabhängiges Unternehmen abzugrenzen. Im Rahmen der Funktionsanalyse sind die wesentlichen Risiken des Versicherungsunternehmens zu identifizieren und die Funktionen zu bestimmen, die zur Übernahme dieser Risiken führen. Dabei ist insbesondere die Identifizierung der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion von Bedeutung. Für Versicherungsunternehmen stellt die Übernahme des Versicherungsrisikos die entscheidende unternehmerische Risikoübernahmefunktion dar. Diese erfordert eine aktive Entscheidungsfindung hinsichtlich der Übernahme des Versicherungsrisikos, mithin die Entscheidung, einen Versicherungsvertrag abzuschließen. Wurde über die Funktionsanalyse festgelegt, welcher Unternehmensteil die unternehmerische Risikoübernahmefunktion ausübt und wem dadurch der Versicherungsvertrag und das damit verbundene Versicherungsrisiko zuzuweisen ist, ist diesem Unternehmensteil im nächsten Schritt ein angemessener Anteil an den Kapitalanlagen des Versicherungsunternehmens zuzuordnen, der das übernommene Versicherungsrisiko deckt. Das Versicherungsrisiko wird dabei sowohl über die Rückstellungen als auch über das Eigenkapital des Versicherungsunternehmens gedeckt. Im Rahmen der Betriebsstättengewinnaufteilung ist der Versicherungsbetriebsstätte somit grundsätzlich sowohl ein Anteil an den gesamten Rückstellungen des Versicherungsunternehmens als auch ein Anteil am Eigenkapital zuzuordnen. Die Höhe der für ein bestimmtes Versicherungsrisiko zu bildenden Rückstellungen und des erforderlichen Eigenkapitals entbehrt – zumindest auf OECD-Ebene – allerdings eines international abgestimmten und akzeptierten Standards, der als Grundlage für eine international einheitliche Aufteilungsvorschrift dienen könnte (innerhalb der EU existiert über die Solvency II-Richtlinie bereits eine einheitliche Regelung). Während in einigen Jurisdiktionen höhere Rückstellungserfordernisse im Vergleich zur Eigenkapitalausstattung gelten, bestehen in anderen Ländern strengere Vorschriften hinsichtlich des Eigenkapitals und dafür niedrigere Rückstellungserfordernisse. In der Summe betrachtet weichen die Vorschriften bei der Bestimmung des Gesamtbetrags der Kapitalanlagen eines Versicherungsunternehmens jedoch nicht stark voneinander ab. Ziel der OECD im Rahmen der Erstellung des OECD-Betriebsstättenberichts war es deshalb, eine Regelung zu entwickeln, mithilfe derer der gesamte Betrag an Vermögenswerten bestimmt werden kann, der der Versicherungsbetriebsstätte zur Deckung des von ihr übernommenen Versicherungsrisikos zugeordnet werden muss. Anstelle von getrennten Regelungen zur Bestimmung der Vermögenswerte, die den Rückstellungen einerseits und dem Eigenkapital andererseits zuzuordnen sind, wird im Rahmen des AOA deshalb der Gesamtbetrag an Vermögenswerten ermittelt, der der Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnen ist. Anders als bei Betriebsstätten außerhalb der Versicherungs- und Bankenbranche folgt hier somit die Zuordnung der Vermögenswerte den (Versicherungs-)Risiken und nicht umgekehrt.
Rz. 3509
Unternehmerische Risikoübernahmefunktion und maßgebliche Personalfunktionen. Die Zuordnung eines Versicherungsvertrags zur Versicherungsbetriebsstätte oder zum übrigen Unternehmen richtet sich danach, welcher Unternehmensteil die unternehmerische Risikoübernahmefunktion im Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag ausgeübt hat. Anders als bei Betriebsstätten aus anderen Branchen außerhalb der Finanzindustrie, bei denen sich die Zuordnung von Vermögenswerten nach den maßgeblichen Personalfunktionen (significant people functions) richtet (§ 1 Abs. 2 BsGaV), ist im Kontext der Bank- und Versicherungsbetriebsstätten sowie im Bereich des Global Trading die unternehmerische Risikoübernahmefunktion (key entrepreneurial risk-taking function, KERT function) entscheidend für die Zuordnung der Vermögenswerte. Diese Unterscheidung zwischen den maßgeblichen Personalfunktionen in Abschnitt 1 der BsGaV und der unternehmerischen Risikoübernahmefunktion in Abschnitt 2 und 3 wurde aus dem OECD-Betriebsstättenbericht übernommen, der dadurch die spezielle Verknüpfung zwischen Risiken und Vermögenswerten in der Banken- und Versicherungsbranche auch sprachlich abbildet. So ist in diesen Branchen mit der Übernahme von...