Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
a) Hypothetischer Fremdvergleich als Regelfall
Rz. 1257
Gesamtbewertung des Transferpakets nach den allgemeinen Grundsätzen. Wie sich aus § 1 Abs. 3b Satz 1 ergibt, ist bei einer Funktionsverlagerung grundsätzlich eine Gesamtbewertung des übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Transferpakets vorzunehmen. Eine Einzelbewertung der materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter, aus denen sich das Transferpaket zusammensetzt, ist lediglich im Fall des § 1 Abs. 3b Sätze 2, 3 zulässig. Die Gesamtbewertung des Transferpakets hat dabei nach den allgemeinen Grundsätzen zu erfolgen. Liegen für das Transferpaket somit Fremdvergleichswerte vor, ist vorrangig ein tatsächlicher Fremdvergleich nach § 1 Abs. 3 Satz 1 ff. durchzuführen. Andernfalls hat die Bestimmung des angemessenen Verrechnungspreises für das Transferpaket auf Grundlage eines hypothetischen Fremdvergleichs nach § 1 Abs. 3 Satz 7 zu erfolgen.
Rz. 1258
Durchführung eines tatsächlichen Fremdvergleichs nur in Ausnahmefällen. Liegen für das Transferpaket vergleichbare Fremdvergleichswerte vor, ist gemäß dem Stufenverhältnis der Verrechnungspreisermittlung ein tatsächlicher Fremdvergleich nach § 1 Abs. 3 Satz 1 ff. durchzuführen (vgl. Rz. 905). Der Vorrang des tatsächlichen vor dem hypothetischen Fremdvergleich auch für Funktionsverlagerungen war in § 2 Abs. 1 Satz 1 FVerlV 2008 ausdrücklich geregelt (in der FVerlV 2022 nicht mehr enthalten). Wegen der dominierenden Bedeutung immaterieller Wirtschaftsgüter bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen dürfte ein tatsächlicher Fremdvergleich jedoch die Ausnahme sein. Im Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern ergeben sich bei einem tatsächlichen Fremdvergleich stets die Probleme der Vergleichbarkeit und der Beobachtbarkeit. Immaterielle Wirtschaftsgüter haben häufig einen einzigartigen Charakter, durch den eine Monopolstellung geschaffen werden soll und der die Suche nach Vergleichswerten erschwert. Hinzu kommt, dass für die meisten immateriellen Wirtschaftsgüter kein aktiver Markt besteht, auf dem eine Preisbildung beobachtet werden könnte. Vielmehr vereinbaren die Parteien häufig sogar Stillschweigen über den vereinbarten Preis. Aus diesem Grund können selbst im Fall einer gegebenen Vergleichbarkeit Fremdvergleichswerte häufig kaum ermittelt werden. Vor diesem Hintergrund dürfte die Ermittlung von Vergleichspreisen bei Funktionsverlagerungen nur im Ausnahmefall gelingen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an die Verlagerung von Routinefunktionen, bei denen keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übertragen werden, z.B. die Verlagerung der Datenverarbeitung auf ein spezialisiertes Softwarehaus, die Übertragung der Buchhaltung auf einen Steuerberater oder die Verlagerung des Liquiditätsmanagements auf eine Bank. Aufgrund der genannten Umstände führt auch die Finanzverwaltung aus, dass es für ein Transferpaket regelmäßig nicht möglich sei, uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte festzustellen. Deshalb sei in Fällen von Funktionsverlagerungen "im Ergebnis regelmäßig der hypothetische Fremdvergleich" anzuwenden. Aus dem Umstand, dass der Vorrang des tatsächlichen Fremdvergleichs in der FVerlV 2022 nicht mehr ausdrücklich angeordnet wird und die Finanzverwaltung ausführt, dass bei Funktionsverlagerungen regelmäßig der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden sei, kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die allgemeine Systematik (Vorrang des tatsächlichen Fremdvergleichs) im Bereich von Funktionsverlagerungen nicht mehr gelten würde. Lässt sich bei einer Funktionsverlagerung ausnahmsweise ein tatsächlicher Fremdvergleich durchführen, ist dieser weiterhin vorrangig anzuwenden. In diesem Fall gelten dann die allgemeinen Grundsätze des § 1 Abs. 3 Satz 1 ff., Abs. 3a Satz 1 ff.; abgesehen von der Tatsache, dass Gegenstand des Fremdvergleichs das Transferpaket ist, ergeben sich für Funktionsverlagerungen insofern keine Besonderheiten. Wurden durch den tatsächlichen Fremdvergleich mehrere vergleichbare Fremdvergleichswerte festgestellt, bilden diese nach § 1 Abs. 3a Satz 1 eine Bandbreite. Bei uneingeschränkt vergleichbaren Werten kann der Stpfl. als Verrechnungspreis jeden Wert innerhalb der Bandbreite ansetzen. Bestehen zwischen den vergleichsweise herangezogenen Geschäftsvorfällen und dem untersuchten Geschäftsvorfall Unterschiede, können diese durch sachgerechte Anpassung beseitigt werden. Wenn auch nach sachgerechter Anpassung weitere Unterschiede verbleiben, ist die Bandbreite nach § 1 Abs. 3a Satz 2 einzuengen und ein Verrechnungspreis aus dem eingeengten Bereich zu wählen. Dabei erfolgt die Einengung der Bandbreite regelmäßig mit der Methode der "Interquartile Range", bei der das obere und untere Viertel der Bandbreitenwerte für die Verrechnungspreisermittlung außer Acht gelassen wird (§ 1 Abs. 3a Satz 3). Sofern der angesetzte Verrechnungspreis außerhalb der Bandbreite liegt, ist im Fall einer Korrektur der Median anzusetzen, wenn der Steu...