Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 1109
Neuregelung des Tatbestands der Funktionsverlagerung. Mit dem AbzStEntModG vom 2.6.2021 wurden die Verrechnungspreisregeln in § 1 umfangreich überarbeitet und neu strukturiert (vgl. dazu Rz. 14.2). Dies führte dazu, dass sich die Regelungen zur Funktionsverlagerung, die seit dem UntStRefG 2008 in § 1 Abs. 3 Sätze 9, 10 verortet waren, nun mit folgendem Wortlaut in § 1 Abs. 3b wiederfinden:
"Wird eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile verlagert und ist auf die verlagerte Funktion Absatz 3 Satz 7 anzuwenden, weil für die Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) keine Vergleichsdaten festgestellt werden können, ist der Einigungsbereich auf der Grundlage des Transferpakets zu bestimmen. Hiervon kann abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren. Dies gilt dann, wenn das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und das Entgelt, das für die Ausübung der Funktion und die Erbringung der entsprechenden Leistungen anzusetzen ist, nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist."
Auch wenn die bisherigen Regelungen damit im Kern erhalten geblieben sind, sind mit der Gesetzesänderung Neuerungen verbunden, die teilweise in einem geänderten Wortlaut und teilweise darin bestehen, dass Vorschriften, die bislang in der FVerlV 2008 enthalten waren, nun in das AStG aufgenommen wurden. So enthält § 1 Abs. 3b Satz 1 zunächst eine Legaldefinition für den Begriff des Transferpakets. Darunter versteht man eine Funktion einschließlich der dazugehörenden Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder (bislang: und) sonstigen Vorteile, die das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen überträgt oder zu Nutzung überlässt. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3b Satz 1 müssen demnach im Rahmen einer Funktionsverlagerung nicht mehr zwingend Wirtschaftsgüter mit übertragen oder zur Nutzung überlassen werden. Nach der Gesetzesbegründung soll mit dieser Regelung allerdings keine Änderung des bisherigen Verständnisses verbunden sein. Vielmehr soll das Transferpaket nach dem Willen des Gesetzgebers "weiterhin aus einer Funktion und den mit dieser Funktion zusammenhängenden Chancen und Risiken sowie den Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen, die das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen zusammen mit der Funktion überträgt oder zur Nutzung überlässt", bestehen. Diese Einschätzung ist indessen unzutreffend. Denn die bisherige "und"-Verknüpfung war so auszulegen, dass die Übertragung oder Nutzungsüberlassung sowohl von Wirtschaftsgütern als auch von sonstigen Vorteilen notwendig war, um eine Funktionsverlagerung zu begründen. Zudem war es dem Gesetzgeber unbenommen, am bisherigen Gesetzeswortlaut und der "und"-Verknüpfung festzuhalten, weshalb auch ein Irrtum nicht ernsthaft angenommen werden kann. Im Ergebnis kommt es zu einer Ausweitung der Definition der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3b Satz 1, indem nunmehr eine Funktionsverlagerung gegeben ist, wenn "nur" sonstige Vorteile (vgl. Rz. 1170) übertragen bzw. überlassen werden.
Rz. 1110
Transferpaketbewertung bei fehlenden Vergleichsdaten. Eine Transferpaketbewertung ist nunmehr auch einschlägig, wenn sich keine Vergleichsdaten beibringen lassen (§ 1 Abs. 3b Satz 1). Bislang gelangte die Bewertungsvorschrift bereits zur Anwendung, wenn keine eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte festgestellt werden konnten. Es dürfte allerdings zweifelhaft sein, ob sich die Pflicht zur Vornahme einer Transferpaketbewertung in der Zukunft allein durch die Darlegung von (beliebigen) Vergleichsdaten abwenden lässt, selbst wenn diese Vergleichsdaten nicht zumindest als eingeschränkt vergleichbar eingestuft werden können. Praktisch gesehen wird diese Modifikation daher keine Änderung für die Praxis ergeben.
Rz. 1111
Anpassung der Escape-Klausel. Darüber hinaus hat sich eine Änderung bei den Exkulpationsmöglichkeiten ("Escape" aus der Funktionsverlagerung) ergeben, die abweichend von der Bewertung des Transferpakets eine Einzelbewertung der übertragenen bzw. überlassenen Wirtschaftsgüter erlauben. Eine solche Einzelbewertung war nach der früheren Rechtslage gem. § 1 Abs. 3 Satz 10 a.F. möglich, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft machte,
- dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren,
- dass die Summe der angesetzten Einzelverrechnungspreise, gemessen an der Bewertung des Transferpakets als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, oder
- dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, das er i.Ü. auch genau zu bezeichnen hatte.
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