Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 1103
Unternehmerische Dispositionsfreiheit. Grundsätzlich ist jede Konzernleitung bzw. jeder Gesellschafter frei, den organisatorischen Aufbau und die funktionale Untergliederung seiner Unternehmensgruppe nach freiem Ermessen zu gestalten. Entscheidet sich die Konzernleitung beispielsweise für einen Produzenten in Irland und eine Vertriebsgesellschaft in Deutschland oder einen Kommissionär in Frankreich, so muss die Finanzverwaltung diese unternehmerische Entscheidung akzeptieren. Dieser sog. Grundsatz der unternehmerischen Dispositionsfreiheit wird auch von der Rspr. des BFH betont. Danach ist es "Sache der Gesellschafter, die Aufgaben einer Kapitalgesellschaft zu bestimmen. Sie können den Aufgabenkreis nach eigenem Ermessen weit oder eng ziehen. Das Steuerrecht muss die Aufgabenzuweisung durch die Gesellschafter im Grundsatz akzeptieren." Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung sind folgerichtig Entscheidungen darüber, ob Funktionen selbst wahrgenommen, bei einem anderen (Konzern-)Unternehmen konzentriert, auf mehrere Unternehmen aufgeteilt werden oder ob ein Subunternehmer beauftragt wird, Gegenstand der unternehmerischen Dispositionsfreiheit. Die Finanzbehörde hat diese Entscheidungen regelmäßig anzuerkennen, da bei der internationalen Einkünfteabgrenzung der tatsächlich durch den Steuerpflichtigen verwirklichte Sachverhalt und nicht ein von der Finanzverwaltung "konstruierter", d.h. hypothetischer Sachverhalt, der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Dies wird durch die VWG VP bestätigt, wenn ausdrücklich auf die "tatsächlichen Verhältnisse" und die "tatsächlich durchgeführte Geschäftsbeziehung" abgestellt wird. Dass nach Rz. 3.8 dieses BMF-Schreibens auch die "realistischerweise zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen" zu berücksichtigen sind, darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Finanzverwaltung – z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung – geänderte Unternehmensstrukturen oder -organisationen zugrunde legen darf. Vielmehr soll damit nur zum Ausdruck gebracht werden, dass "Handlungsalternativen" im Rahmen der Bestimmung eines Fremdvergleichspreises einzubeziehen sind.
Rz. 1104
Fremdübliche Funktionsallokation. Auch die Tatsache, dass die von Steuerpflichtigen gewählte Funktionsallokation im Konzern oder die daraus resultierenden Lieferungen und Leistungen zwischen unabhängigen Dritten nicht vorkommen bzw. unüblich sind, kann nicht dazu führen, dass gruppeninterne Geschäftsbeziehungen dem Grunde nach von den Finanzbehörden nicht anerkannt werden. Nicht sachgerecht ist in diesem Zusammenhang die bisherige Forderung der Finanzverwaltung, von der gewählten Gestaltung des Steuerpflichtigen dann abzuweichen, wenn fremde Dritte in wirtschaftlich vernünftiger Weise die Vereinbarungen anders getroffen hätten und die tatsächlich gewählte Gestaltung der Finanzbehörde im Ergebnis die Möglichkeit nimmt, einen angemessenen Verrechnungspreis zu bestimmen. Denn insoweit wird der Anwendungsbereich der unternehmerischen Dispositionsfreiheit eingeschränkt, ohne dass dafür eine Rechtsgrundlage ersichtlich ist. Vielmehr findet die unternehmerische Dispositionsfreiheit nur in den Fällen eine Grenze, in welchen ein Missbrauch i.S.d. § 42 AO vorliegt.