Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
a) Grundlagen
Rz. 661
Konsistenz zwischen Unternehmenstyp und Ergebniserwirtschaftung. Sind ausgeübte Funktionen, übernommene Risiken sowie eingesetzte (materielle und immaterielle) Wirtschaftsgüter identifiziert und lokalisiert worden, so lassen sich darauf aufbauend bestimmte Unternehmenstypen ausmachen. Hintergrund dieser Klassifizierung in sog. Unternehmenstypen ist letztlich die Frage, ob das von einem verbundenen Unternehmen mit einem bestimmten Funktions- und Risikoprofil erwirtschaftete Ergebnis im Einklang mit den ausgeübten Funktionen, der Funktionstiefe und dem wirtschaftlichen Wert der Funktionen, den übernommenen Risiken und ihrer (wirtschaftlichen) Tragweite im Fall der Risikomaterialisierung sowie den eingesetzten Wirtschaftsgütern steht ("Quasi-Verprobung" auf Basis des aggregierten Nettoergebnisses). Den OECD-Leitlinien 2022 folgend soll – wie oben bereits dargelegt – das Ergebnis aus Geschäftsvorfällen mit verbundenen Unternehmen daher mit der Quantität und der Qualität der ausgeübten Funktionen, eingegangenen Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgütern der beteiligten Transaktionsparteien korrelieren.
Rz. 662
Zweitypige Unterscheidung. International anerkannt ist eine Zweiteilung der Unternehmenstypen in sog. Routineunternehmen und sog. Strategieführer (Entrepreneure).
Die bis zur Aufgabe der VWG-Verfahren aus 2005 von der deutschen Finanzverwaltung vertretene Ansicht, es gebe noch eine gewissermaßen "hybride" Form, ein sog. Mittelunternehmen, das zwischen dem Strategieführer und dem Routineunternehmen angesiedelt sein sollte, wurde mittlerweile aufgegeben. Durch den Unternehmenstyp des Mittelunternehmens sollte der Anwendungsbereich der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode im Ergebnis signifikant beschränkt werden.
b) Eigenschaft als Strategieführer (Entrepreneur)
Rz. 663
Strategieführer. Als Strategieführer wird ein Unternehmen in einem Gesamtunternehmen bzw. Konzern bezeichnet, welches die wesentlichen, für die Gesamtwertschöpfung ausschlaggebenden Funktionen ausübt, entsprechende wirtschaftliche Risiken übernimmt und in größerem Umfang (immaterielle) Wirtschaftsgüter einsetzt. Durch sein ausgeprägtes Funktions- und Risikoprofil tragen die Tätigkeiten des Strategieführers maßgeblich zur Materialisierung von Gewinnchancen bei. Die Strategieführereigenschaft kennzeichnet sich innerhalb einer Unternehmensgruppe regelmäßig dadurch, dass der Strategieführer die wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter in seinem Eigentum bzw. seinen Verfügungsrechten hält. Zugleich sind regelmäßig die maßgeblichen Entscheidungsträger im Konzern auf Ebene des Strategieführers angesiedelt. Typische Tätigkeitsbeispiele für Strategieführer sind bspw. die Bestimmung des Produktsortiments, die Festlegung der Markt- und Preisstrategie, Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten (keine Auftragsforschung), die zentrale Kundengewinnung und strategische Werbe- bzw. Marketingaktivitäten.
c) Unternehmen mit sog. "Routine"-Funktionen
Rz. 664
Allgemeines. Routineunternehmen kennzeichnen sich dadurch, dass sie technisch wie organisatorisch einfache Funktionen ausüben und dementsprechend lediglich geringe wirtschaftliche Risiken tragen. Im Gegenzug erwirtschaften Routineunternehmen geringere, jedoch stabile Gewinne. Der Einsatz von (immateriellen) Wirtschaftsgütern und Know-how ist im Vergleich zum Strategieführer stark eingeschränkt. Tätigkeitsbeispiele für das "Routineunternehmen" sind Lohn- bzw. Auftragsfertigungstätigkeiten, Erbringung einfacher Dienstleistungen (z.B. unternehmensinterne Verwaltungsdienstleistungen), Lagerhaltung, Kundenbetreuung, sog. Low-Risk-Vertriebstätigkeiten (einschließlich Kommissionärstätigkeiten) ohne strategischen Einfluss auf Produkt-, Preis- oder Marketingentscheidungen.
Rz. 665
Rolle immaterieller Wirtschaftsgüter bei Routineunternehmen. Routineunternehmen können auch dann vorliegen, wenn diese Unternehmen über eigene (immaterielle) Wirtschaftsgüter verfügen. Die Finanzverwaltung hatte diese Sichtweise in den mittlerweile aufgehobenen VWG-Verfahren 2005 dahingehend eingeschränkt, dass Routineunternehmen "nur in geringem Umfang" Wirtschaftsgüter einsetzen dürfen. Diese Wertung ergab sich nach Auffassung der Finanzverwaltung bereits spiegelbildlich aus der Feststellung, dass Entrepreneure über die (für die Durchführung der Geschäftstätigkeiten) wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter verfügen müssten. Kennzeichnend für die Stellung eines Routineunternehmens ist daher letztlich die "Austauschbarkeit" des Unternehmens in der Gesamtwertschöpfungskette. Grundsätzlich ist die Annahme sachgerecht, dass Routineunternehmen in aller Regel durch ein geringes Maß an eigenen – vor allen Dingen immateriellen – Wirtschaftsgütern gekennzeichnet sind. Dies darf jedoch nicht zu der Vorstellung verleiten, dass ein Unternehmen über keinerlei (immaterielle) Wirtschaftsgüter, die für seine Unternehmenstätigkeiten von...