Dr. Nils Häck, Dr. Julian Böhmer
a) Neufassung durch das ATADUmsG
Rz. 240
Neufassung des § 6 durch das ATADUmsG. Durch das ATADUmsG wurde das AStG vom 8.9.1972, das zuletzt durch das JStG 2022 v. 16.12.2022 (hierzu und den weiter bevorstehenden Änderungen s. Rz. 14 f.) angepasst worden ist, umfangreich geändert (Änderungsgesetz). Art. 5 Nr. 4 des ATADUmsG führte zu einer vollständigen Neufassung des § 6. Hierdurch wurde der bisherige Text des § 6 a.F. nicht gesondert aufgehoben, da der neu gefasste Wortlaut – unter Berücksichtigung der Anwendungsregelung des § 21 – an seine Stelle tritt, d.h. der bisherige Text wird ab dem in § 21 genannten Zeitpunkt bzw. Zeitraum quasi "überschrieben". Das ATADUmsG wurde am 30.6.2021 verkündet und trat am 1.7.2021 in Kraft, d.h. die Neufassung des § 6 hat rechtliche Außenwirkung bereits seit dem 1.7.2021. Hiervon zu trennen ist die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Neufassung anzuwenden ist. Hierfür sehen § 21 Abs. 1 und Abs. 3 gesonderte Anwendungsvorschriften für § 6 und Übergangsvorschriften für § 6 a.F. vor (s. zu den Anpassungen des § 21 Abs. 3 im Anschluss an das ATADUmsG Rz. 242).
Rz. 241
Ursprüngliche Fassung des § 21 Abs. 1 und Abs. 3. Die Frage der erstmaligen Anwendung des § 6 i.d.F. des ATADUmsG beantwortet § 21 Abs. 1 Nr. 1 i.d.F. des ATADUmsG ("Anwendungsvorschriften"), der – soweit für § 6 relevant – mit Ausnahme der zweimaligen Verschiebung des maßgeblichen Veranlagungszeitraums – im Gesetzgebungsverfahren unverändert geblieben war. Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 gilt diese Fassung des AStG und damit auch die Neufassung des § 6 für die Einkommensteuer erstmals für den Veranlagungszeitraum 2022, sofern in den weiteren Absätzen des § 21 nichts anderes bestimmt ist. Diesbezüglich wurde mit dem 2. Referentenentwurf vom 23.3.2020 und später auch mit dem Regierungsentwurf vom 24.3.2021 die Gesetzesbegründung dahingehend ergänzt bzw. klargestellt, dass § 21 Abs. 1 Nr. 1 "auch den zeitlichen Anwendungsbereich der Neufassung des § 6 AStG [regele]" und die Neufassung des § 6 "danach erstmals für Sachverhalte [gelte], die nach dem 31.12.2021 verwirklicht werden". Angesprochen sind hiermit Sachverhalte, die nach dem 31.12.2021 die Tatbestandsmerkmale i.S.v. § 6 Abs. 1 erfüllen. Die Regelungen zu den Gewinnrealisierungszeitpunkten nach § 6 Abs. 1 Satz 2 ("[d]ie Veräußerung im Sinne des Satzes 1"), die Anschaffungskostenfiktion des § 6 Abs. 1 Satz 3 ("[i]m Fall des Satzes 1") und die Definition des unbeschränkt Steuerpflichtigen nach § 6 Abs. 2 ("[u]nbeschränkt Steuerpflichtige im Sinne des Absatzes 1") knüpfen ausdrücklich an § 6 Abs. 1 Satz 1 und damit an die erst nach dem 31.12.2021 verwirklichten Sachverhalte an, die die Tatbestände i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 erfüllen. Sie können daher auf Sachverhalte, die noch bis zum 31.12.2021 einen Tatbestand i.S.v. § 6 Abs. 1 verwirklicht haben, keine Anwendung finden. Allerdings bestand aufgrund der ursprünglichen Formulierung in § 21 Abs. 3 Satz 1 i.d.F. des ATADUmsG in der Praxis eine gewisse Verunsicherung darüber, ob bei einer Tatbestandsverwirklichung vor dem 1.1.2022 die bisher geltenden Rückkehrer- und Stundungsregelungen (§ 6 Abs. 3 bis Abs. 5 AStG a.F.) uneingeschränkt anwendbar waren, insbesondere die dauerhafte Stundung i.S.v. § 6 Abs. 5 AStG a.F. auch für noch bis Ende 2021 erfolgte Wegzüge im EU-/EWR-Raum greifen würde, sofern nicht am 31.12.2021 bereits ein Stundungsbescheid in der Welt war. Hintergrund war die Formulierung in § 21 Abs. 3 Satz 1 i.d.F. des ATADUmsG, wonach § 6 a.F. "auf noch am 31. Dezember 2021 laufende Stundungen" im Sinne des § 6 Abs. 4 und Abs. 5 a.F. sowie "auf noch laufende Fristen" im Sinne des § 6 Abs. 3 a.F. "weiterhin anzuwenden" sei. Eine "Stundung" setzt formalrechtlich aber voraus, dass die Steuer in einem Steuerbescheid festgesetzt und durch Bescheid gestundet ist. Die Gesetzesbegründung wies insoweit zwar die nötige Klarheit auf, dass bei Tatbestandsverwirklichung vor dem 1.1.2022 ("Altfälle") die Altfassung anzuwenden sei. Angesichts des Wortlauts der Anwendungsvorschrift bereitete die Herleitung dieses Verständnisses auslegungsmethodisch aber eine gewisse Mühe. In § 21 Abs. 3 Satz 2 wurde für sog. nachträgliche Wertminderungen eine besondere Anwendungsregel geschaffen (dazu ausf. Rz. 247).
Rz. 242
Neufassung des § 21 Abs. 3 Satz 1 durch das JStG 2022. Durch das JStG 2022 wurde – auf Initiative des Bundesrates – § 21 Abs. 3 Satz 1 mit Rückwirkung zum 1.1.2022 wie folgt klarstellend neu gefasst:"Wurde ein Tatbestand des § 6 Absatz 1 in einer bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung vor dem 1. Januar 2022 verwirklicht, ist § 6 in der am 30. Juni 2021 geltenden Fassung für die Abwicklung dieses Falles über den 31. Dezember 2021 hinaus anzuwenden." Die Gesetzesbegründung führt dazu aus: "§ 21 Absatz 3 Satz 1 AStG in der Fassung des Artikels 5 Nummer 13 des Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ...