Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 2676
Preisanpassung im Zeitablauf – Gesetzliche Fiktion. Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wurde erstmals eine gesetzliche Preisanpassungsklausel in § 1 implementiert, die den Stpfl. in Einzelfällen zu nachträglichen Preisanpassungen verpflichtete. So hieß es in § 1 Abs. 3 Satz 11 a.F.: "Sind in den Fällen der Sätze 5 und 9 wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand einer Geschäftsbeziehung und weicht die tatsächliche spätere Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnentwicklung ab, die der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde lag, ist widerlegbar zu vermuten, dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregel vereinbart hätten." Mit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) wurde die Regelung überarbeitet und in § 1a verschoben. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die bisherige Beschränkung auf Fälle des hypothetischen Fremdvergleichs (§ 1 Abs. 3 Sätze 5 und 9 a.F.) entfallen sowie die Anforderung eines gleichzeitigen Bezugs auf immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile zugunsten einer Oder-Formulierung abgeschwächt worden.
Die Bezugnahme auf immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile wurde im Regierungsentwurf des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 damit begründet, dass bei diesen die Wertermittlung "häufig mit erheblichen Unsicherheiten belastet" sei. Bereits diese Begründung kann nicht überzeugen. Bei Bewertungsmethoden, bei denen erwartete künftige Werte Eingang finden, besteht naturgemäß Unsicherheit. Fremde Dritte berücksichtigen diese Unsicherheit jedoch typischerweise nicht durch die Vereinbarung einer Anpassungsklausel, sondern durch die explizite Berücksichtigung des Risikos im Bewertungskalkül, sei es durch Verwendung der Risikozuschlagsmethode oder durch Ansatz eines Sicherheitsäquivalents (zur aktuellen Rechtslage s. auch die Escape-Klausel des § 1a Satz 6 Nr. 2, Rz. 2683). Insofern ist es bereits fraglich, ob die Fiktion einer Preisanpassung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz im Einklang steht.
Mit der Reform des § 1 durch das AbzStEntModG wurde die Preisanpassungsklausel näher an die von der OECD vorgeschlagene Anpassungssystematik (Rz. 2687) herangeführt. Allerdings soll § 1a – wie bisher § 1 Abs. 3 Satz 11 a.F. – für sämtliche wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile grundsätzlich anwendbar sein, während die OECD-Leitlinien Preisanpassungen auf Fälle von schwer zu bewertenden immateriellen Werten (Rz. 2686) beschränken. Dies ist zu kritisieren.
Rz. 2677
Preisanpassung bis VZ 2021 nur im Fall des hypothetischen Fremdvergleichs. Mit dem Verweis auf die Sätze 5 und 9 des § 1 Abs. 3 a.F. wird deutlich, dass die Preisanpassungsklausel bisher, d.h. bis zum VZ 2021 nur im Fall der Verrechnungspreisermittlung durch hypothetischen Fremdvergleich zur Anwendung kommen kann, was insbesondere auch Fälle der Funktionsverlagerung einschließt. Sofern Verrechnungspreise unter Verwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs abgeleitet wurden, ist eine nachträgliche Preisanpassung hingegen nicht erforderlich. Dies ist im Hinblick auf immaterielle Werte z.B. dann relevant, wenn die Lizenzgebühren auf Basis der Preisvergleichsmethode, die dem tatsächlichen Fremdvergleich zuzuordnen ist, abgeleitet wurden. Bei solchen Lizenzgebühren kommt die gesetzliche Fiktion der Preisanpassung jedenfalls nicht zur Anwendung.
Da die Neuregelung keinen Bezug auf den hypothetischen Fremdvergleich mehr enthält, wird der sachliche Anwendungsbereich ab dem VZ 2022 erweitert. Die Regelung stellt allerdings auch künftig auf die Gewinnerwartung ab, die der Verrechnungspreisfestlegung zugrunde lag. Neu erfasst werden dürften daher im Wesentlichen Fälle, in denen die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (Rz. 841 ff.) zur Anwendung kommt.
Rz. 2678
Erhebliche Abweichung. Unter den vorstehend genannten Voraussetzungen ist eine nachträgliche Preisanpassung allerdings nur dann erforderlich, wenn es im Zeitablauf zu erheblichen Abweichungen der Gewinnentwicklung im Vergleich zu der ursprünglich zugrunde gelegten Gewinnentwicklung gekommen ist. Der Begriff der "erheblichen Abweichung" ist mit dem AbzStEntModG erstmals gesetzlich definiert worden, wobei dies ab dem VZ 2022 gilt (Rz. 2684). Gem. § 1a Satz 3 liegt eine erhebliche Abweichung dann vor, "wenn der unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gewinnentwicklung zutreffende Fremdvergleichspreis um mehr als 20 Prozent von [dem vom Stpfl. festgelegten] Verrechnungspreis abweicht". Diese Regelung orientiert sich an den Tz. 6.193 der OECD-Leitlinien (Rz. 2688). Inhaltlich ist damit die ursprüngliche Verrechnungspreisbestimmung zu wiederholen, wobei statt der prognostizierten die tatsächlich erzielten Gewinne anzusetzen sind. Sämtliche sonstigen Parameter (Kapitalisierungszinssätze, Kapitalisierungszeitraum, Steuersätze, Aufteilung des Einig...