Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 913
Grenzpreisermittlung in Abhängigkeit von der Ergebnissituation. Der Einigungsbereich wird nach § 1 Abs. 3a Satz 5 von dem Mindestpreis des Leistungserbringers und von dem Höchstpreis des Leistungsempfängers begrenzt. Beide Preisgrenzen sind anhand ökonomisch anerkannter Bewertungsmethoden zu bestimmen (§ 1 Abs. 3 Satz 7). § 6 Abs. 1 FVerlV sieht vor, dass für die Ermittlung der Preisgrenze des Leistungserbringers zwischen Gewinnfällen einerseits sowie Verlustfällen und Liquidationsfällen andererseits zu unterscheiden ist.
Rz. 914
Mindestpreis in Gewinnfällen. Falls im Fall der Funktionsverlagerung das verlagernde Unternehmen aus der verlagerten Funktion zukünftige Gewinne zu erwarten hatte, ergibt sich nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FVerlV der Mindestpreis des verlagernden Unternehmens aus dem Ausgleich für den Wegfall oder die Minderung der finanziellen Überschüsse zzgl. der gegebenenfalls anfallenden Schließungskosten, wobei der Barwert maßgeblich ist (§ 6 Abs. 1 Satz 2 FVerlV). Die VWG-Funktionsverlagerung gehen in Rz. 116 davon aus, dass ohne diesen Ausgleich die Funktionsverlagerung aus der Sicht des verlagernden Unternehmens nicht sinnvoll sei. § 6 Abs. 1 Satz 3 FVerlV konkretisiert für die Bestimmung des Mindestpreises die Einbeziehung alternativer Handlungsmöglichkeiten nach § 2 Satz 1 FVerlV dahingehend, dass die tatsächlich bestehenden Handlungsmöglichkeiten des verlagernden Unternehmens zu berücksichtigen sind, ohne die unternehmerische Dispositionsfreiheit des verlagernden Unternehmens einzuschränken.
Nach dieser zutreffenden Auffassung wird zwar die tatsächlich verwirklichte Geschäftsbeziehung unter Anerkennung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit steuerlich zugrunde gelegt, die Preisgrenze des Leistungserbringers allerdings nicht von dem Barwert der finanziellen Überschüsse des Gegenstands der Geschäftsbeziehung (Transaktionsgegenstands) bestimmt, sondern von dem Ertragspotential der letztlich günstigsten, d.h. vorteilhaftesten, alternativen Handlungsmöglichkeit (Rz. 921). Stellt die tatsächlich verwirklichte Geschäftsbeziehung die günstigste Handlungsalternative des Leistungserbringers dar, ist auch der Barwert der finanziellen Überschüsse des Bewertungsobjekts zugrunde zu legen. Im Übrigen bestimmt das Ertragspotential der günstigsten Handlungsalternative die Ermittlung der Preisgrenze des Leistungserbringers, was zwangsläufig zu betragsmäßigen Abweichungen führen wird.
Im Einklang mit den OECD-Leitlinien stellt die deutsche Finanzverwaltung auf "realistischerweise verfügbare und eindeutig vorteilhaftere Handlungsalternativen" ab, die allerdings auf Grundlage der Transparenzfiktion des § 1 Abs. 1 Satz 3 zu ermitteln sein sollen. Da nach Auffassung der Finanzverwaltung die Nachweispflicht für das Bestehen und die Bewertung einer eindeutig günstigeren Handlungsalternative derjenige trägt, der diese Handlungsalternative für sich in Anspruch nimmt (vgl. Rz. 921), wird für die Bestimmung des Mindestpreises des Leistungserbringers als Preisuntergrenze des Einigungsbereichs eine von dem Ertragspotential des konkreten Transaktionsgegenstands abweichende Bewertung aufgrund einer eindeutig günstigeren Handlungsalternative durch die Finanzverwaltung nachzuweisen sein.
Rz. 915
Mindestpreis in Verlustfällen. Für Fälle der Verlagerung einer Funktion, aus der dauerhaft Verluste erwartet werden, bestimmt sich nach § 6 Abs. 3 FVerlV. Hiernach kann es dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters des verlagernden Unternehmens entsprechen, zur Begrenzung von Verlusten als Mindestpreis ein Entgelt für die Funktionsverlagerung zu akzeptieren, das die anfallenden Schließungskosten nur teilweise deckt, oder eine Ausgleichszahlung an das übernehmende Unternehmen für die Übernahme der Verlustquelle zu leisten. In Rz. 3.113 der VWG VP 2023 behandelt die Finanzverwaltung umfänglich die Grenzpreisbestimmung aus Sicht des verlagernden Unternehmens für Fälle, in denen aus der verlagerten Funktion dauerhaft Verluste entstehen (Barwert der finanziellen "Überschüsse" negativ) und das verlagernde Unternehmen vor den Handlungsoptionen Fortführung der defizitären Funktion, Beendigung der defizitären Funktion unter Hinnahme von Schließungskosten und der Funktionsverlagerung, wiederum unter Hinnahme von Schließungskosten, steht. Durch die Änderung der FVerlV ist in § 6 Abs. 3 FVerlV die Regelung entfallen, dass der Mindestpreis in diesen Fällen dem niedrigeren absoluten Betrag aus den zu erwartenden Verlusten und den ggf. anfallenden Schließungskosten entspricht. Die Finanzverwaltung hatte hierzu bisher die Auffassung vertreten, dass nicht der niedrigere absolute Betrag als Mindestpreis anzusetzen ist, sondern – zu Gunsten des Steuerpflichtigen – dass "der für das verlagernde Unternehmen weniger belastende Betrag als Untergrenze des Verhandlungsrahmens, da auch ein unabhängiges Unternehmen seinem Handeln die Alternative zugrunde legen würde, di...