Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 54
Beihilfebegriff verlangt kumulatives Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen. Damit eine Beihilfe vorliegt, müssen alle Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV kumulativ erfüllt sein; ist nur eine Voraussetzung nicht erfüllt, liegt bereits tatbestandsmäßig keine Beihilfe vor. Da die Kommission in den betreffenden Fällen nach Ansicht des EuG bereits keinen Vorteil nachweisen konnte (Ausnahme: Fiat), finden sich in den bisherigen Urteilen kaum Ausführungen zu den übrigen Merkmalen. Erwähnt seien lediglich die in den folgenden beiden Rz. dargestellten Aspekte.
Rz. 54.1
Abgrenzung von Vorteils- und Selektivitätsprüfung. Bei der Vorteilsprüfung und beim Selektivitätskriterium handelt es sich um zwei unterschiedliche Merkmale des Beihilfebegriffs; während es im Rahmen der Vorteilsprüfung nachzuweisen gilt, dass die beihilfeverdächtige Maßnahme die finanzielle Lage des Begünstigten verbessert, ist im Zuge der Selektivitätsprüfung darzulegen, dass der Vorteil nicht auch anderen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, zugutekommt. Obwohl es sich um zwei eigenständige Merkmale handelt, wurden diese Merkmale bei Beihilferegelungen in der Vergangenheit oft gemeinsam geprüft, was in der Literatur seit geraumer Zeit kritisiert wird. Gleichwohl erachtet das EuG eine gemeinsame Prüfung nun ausdrücklich für zulässig, soweit das einheitliche Vorgehen Antworten auf die relevanten Fragen gibt und das Vorliegen der beiden Voraussetzungen nachgewiesen wird. Da es vorliegend in allen Fällen um Einzelbeihilfen ging, konnte die Selektivität insoweit vermutet werden. Damit konzentrierte sich die Prüfung in den vorliegenden Fällen im Kern auf die Vorteilsprüfung. Die Selektivitätsprüfung, die in anderen Fällen, in denen gesetzliche Regelungen zu prüfen sind, eine ganz herausgehobene Stellung einnimmt, ist bei der Prüfung von Steuervorbescheiden über Verrechnungspreise demnach von nachrangiger Bedeutung.
Rz. 54.2
Wettbewerbsverzerrung und Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels. Die Anforderungen an diese beiden Voraussetzungen sind im Allgemeinen nicht sehr hoch, was sich auch in den vorliegenden Verrechnungspreisfällen wieder zeigte. So ging es in einem Fall etwa um eine Holdinggesellschaft, die ausschließlich konzerninterne Dienstleistungen erbracht hatte und ihre Leistungen nicht an fremde Marktteilnehmer angeboten hat. Auch in diesem Fall wurde eine (zumindest drohende) Wettbewerbsverfälschung vom Gericht jedoch bejaht, da eine verringerte Steuerlast zu zusätzlichen finanziellen Mitteln und im Ergebnis dazu führt, dass die konzerninternen Leistungen günstiger angeboten werden können. Dadurch werde auch der Wettbewerb auf den Märkten der Leistungsempfänger verfälscht. Im Ergebnis kann die Beihilfethematik damit auch bei Holdingsgesellschaften relevant werden, die ausschließlich konzerninterne Leistungen erbringen und ansonsten nicht am Markt agieren.