Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 873
Vorrangigkeit des tatsächlichen Fremdvergleichs. Weder die FVerlV noch die VWG-Funktionsverlagerung enthalten konkrete Aussagen zur Anwendung und zu einem Rangfolgeverhältnis der Verrechnungspreismethoden. Dies liegt im Wesentlichen darin begründet, dass in der ursprünglichen Fassung der Regelungen zum Transferpaket in § 1 Abs. 3 Satz 9 i.d.F. des UntStRefG 2008 lediglich isoliert auf § 1 Abs. 3 Satz 5 Bezug genommen wurde, was die Anwendung nur des hypothetischen Fremdvergleichs implizierte. Richtigerweise ist die Verrechnungspreisbestimmung für Transferpakete im Rahmen von Funktionsverlagerungen an dieselben Grundsätze verwiesen, wie sie für "normale" Transaktionsgegenstände vorgegeben sind. Dies ist bis einschließlich dem VZ 2021 das Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich, das § 1 Abs. 3 Sätze 1–5 a.F. vorgibt (Rz. 856). Insofern setzte § 1 Abs. 3 Satz 9 i.d.F. des EU-Vorgaben-Gesetzes tatbestandlich zutreffend den eröffneten Anwendungsbereich des hypothetischen Fremdvergleichs voraus, "weil für das Transferpaket als Ganzes keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vorliegen." Diese Tatsache wurde bereits durch § 2 Abs. 1 Satz 1 FVerlV ausdrücklich bestätigt. Durch das AbzStEntModG und die Neufassung der Regelungen zu Funktionsverlagerungen in § 1 Abs. 3b für VZ ab 2022 ergeben sich in dieser Hinsicht keine Änderungen. Gemäß § 1 Abs. 3b Satz 1 ist der hypothetische Fremdvergleich i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 7 nur anzuwenden, "weil für die Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) keine Vergleichsdaten festgestellt werden können".
Rz. 874
Unzulässige Einschränkung auf die Standardmethoden. Die VWG-Funktionsverlagerung beschränken den Vorrang des tatsächlichen Fremdvergleichs vor dem hypothetischen Fremdvergleich unzulässigerweise auf die Anwendung der Standardmethoden, indem sie ihre Auffassung unter die Überschrift "Standardmethoden zur Bestimmung des Verrechnungspreises" stellen. Sie beziehen sich richtigerweise auch auf § 1 Abs. 3 Satz 2 a.F. und damit auf die 2. Stufe des Rangfolgeverhältnisses zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich. Für die Verrechnungspreisbestimmung mittels eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte konnte jedoch jede geeignete Verrechnungspreismethode angewendet werden, ohne dass zwischen mehreren geeigneten Verrechnungspreismethoden ein Vorrangverhältnis geregelt war. Vielmehr standen nach § 1 Abs. 3 Satz 2 a.F. mehrere geeignete Verrechnungspreismethoden gleichrangig nebeneinander. Nichts anderes ergibt sich im Hinblick auf den Vorrang der geschäftsvorfallbezogenen Standardmethoden und der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden vor dem hypothetischen Fremdvergleich aus der gesetzlichen Neuregelung in § 1 Abs. 3 Satz 5, nach der stets die am besten geeignete Verrechnungspreismethode auszuwählen ist (vgl. Rz. 857 ff.).
Rz. 875
Abgeltung von Routinefunktionen nach der Kostenaufschlagsmethode? § 2 Abs. 2 FVerlV a.F. enthielt eine speziell auf Routineunternehmen zugeschnittene Regelung, die unter bestimmten Voraussetzungen zu der gesetzlichen Vermutung führte, dass mit dem übergehenden Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen wurden und deshalb der Anwendungsbereich der Einzelbewertung nach § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 a.F. eröffnet war. Diese gesetzliche Vermutung besteht auch nach § 1 Abs. 3b Satz 2 unverändert fort (vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 1290 ff.). Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV a.F. war allerdings u.a. darauf beschränkt, dass für die Verrechnungspreisermittlung die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung kam. Die VWG-Funktionsverlagerung dehnen den Anwendungsbereich auf die zulässigerweise zur Anwendung kommende kostenbasierte, geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode und die Vergütung mittels einer das niedrigere Risiko berücksichtigenden Provision aus. Voraussetzung ist neben der exklusiven Funktionsausübung, dass diese Verrechnungspreisermittlung zu vergleichbaren Ergebnissen führt.
Die Festlegung auf bestimmte Verrechnungspreismethoden wirft die Frage nach der Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Regelungen in § 1 Abs. 3 auf, d.h. bis VZ 2021 mit dem in § 1 Abs. 3 Sätze 1–5 a.F. angelegten Stufenverhältnis und ab VZ 2022 mit dem in § 1 Abs. 3 Satz 5 geregelten Konzept für die Methodenanwendung und -auswahl, nach dem die am besten geeignete Verrechnungspreismethode anzuwenden ist. Der Verordnungsgeber ging in der Verordnungsbegründung zu § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV a.F. unter Hinweis auf Tz. 3.4.10.2 Buchst. a der VWG-Verfahren demgegenüber offenkundig ("ist vor allem anzuwenden") von einer zwingenden Anwendung der Kostenaufschlagsmethode auf die Abgeltung der Ausübung von Routinefunktionen aus. Dies entspricht jedoch weder der Rechtslage vor Einführung des Rangfolgeverhältnisses in § 1 Abs. 3 a.F. auf Grundlage der Rechtsprechung des BFH (Rz. 866). Noch vie...