Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
(4) Ergibt sich nach der Kapitalaufteilungsmethode für die inländische Betriebsstätte ein Dotationskapital, das dauerhaft zu Ergebnissen führt, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht bereit wäre hinzunehmen, und gehört das ausländische Unternehmen, dessen Teil die Betriebsstätte ist, zu einer Unternehmensgruppe, die einem Konzern im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes entspricht, so ist das Dotationskapital, das der Betriebsstätte zuzuordnen ist, wie folgt zu bestimmen:
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1. das konsolidierte Eigenkapital der Unternehmensgruppe ist entsprechend Absatz 2 zu ermitteln und |
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2. der Betriebsstätte ist auf konsolidierter Grundlage entsprechend den Absätzen 1 bis 3 ein Anteil am konsolidierten Eigenkapital der Unternehmensgruppe als Dotationskapital zuzuordnen. |
Rz. 3216
Konzernbetrachtung. § 12 Abs. 4 BsGaV sieht eine Sonderregelung für Unternehmensgruppen vor, die einem Konzern i.S.d. § 18 AktG entsprechen. Danach soll die Kapitalaufteilungsmethode nicht angewendet werden, wenn dies dauerhaft zu Ergebnissen führt, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht akzeptiert hätte. Diese Sonderregelung ist insbesondere auf Unterkapitalisierungsfälle anzuwenden, in denen der inländischen Betriebsstätte ein Zinsaufwand zugeordnet wird, der dauerhaft zu Betriebsstättenverlusten führt. In diesem Fall ist für Zwecke der Bestimmung des Dotationskapitals für die inländische Betriebsstätte in einem ersten Schritt das konsolidierte Eigenkapital der Unternehmensgruppe nach § 12 Abs. 2 BsGaV zu ermitteln. Die auf das konsolidierte Eigenkapital der Unternehmensgruppe anzuwendende Kapitalquote ist in einem zweiten Schritt nach § 12 Abs. 1 bis 3 BsGaV zu bestimmen. Ist aufgrund der Unterkapitalisierung des Unternehmens bei der Betriebsstätte nach Abzug der Zinsaufwendungen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht mit einem positiven Gesamtergebnis zu rechnen, ist das Dotationskapital von Anfang an nach der Sonderregelung des § 12 Abs. 4 BsGaV zu bestimmen. Gehört jedoch das ausländische Unternehmen nicht zu einer Unternehmensgruppe i.S.d. § 18 AktG, d.h., steht es nicht unter einheitlicher Leitung eines beherrschenden Unternehmens, kommt die Sonderregelung des § 12 Abs. 4 BsGaV nicht zur Anwendung. Eine Korrektur wäre nur dann vorzunehmen, wenn das Dotationskapital der inländischen Betriebsstätte nach Maßgabe des § 12 Abs. 5 BsGaV gegenüber dem nach der Kapitalaufteilungsmethode ermittelten Dotationskapital zu erhöhen wäre. Die Anwendung des § 12 Abs. 4 BsGaV lässt sich anhand des folgenden Beispiels veranschaulichen.
Beispiel
Eine inländische Betriebsstätte der niederländischen T-BV produziert und vertreibt Haushaltsgeräte. Die T-BV gehört zum niederländischen Konzern M. Das bilanzielle Eigenkapital der T-BV beträgt 40. Nach der Kapitalaufteilungsmethode (§ 12 Abs. 1 bis 3 BsGaV) wäre der inländischen Betriebsstätte ein Dotationskapital von 10 (25 % vom Eigenkapital der T-BV) zuzuordnen. Die Betriebsstätte erzielt dauerhaft Verluste. Das konsolidierte Eigenkapital des M-Konzerns beträgt 1.000. Die Kapitalquote der Betriebsstätte beträgt nach § 12 Abs. 1 bis 3 BsGaV bezogen auf das konsolidierte Eigenkapital des M-Konzerns 10 %.
Lösung
Aufgrund der Unterkapitalisierung der T-BV, die sich bei Anwendung des § 12 Abs. 1 BsGaV auch auf das Dotationskapital der inländischen Betriebsstätte auswirkt, entstehen dauerhafte Verluste. Infolgedessen bestimmt sich das Dotationskapital nach § 12 Abs. 4 BsGaV auf Grundlage des konsolidierten Eigenkapitals des M-Konzerns. Damit ist der inländischen Betriebsstätte ein Dotationskapital von 100 (10 % von 1.000) zuzuweisen.
Rz. 3217
Kritische Würdigung. Die Sonderregelung gem. § 12 Abs. 4 BsGaV ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Diese Sonderregelung beruht nicht auf dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 und dem dort konzipierten AOA. Es ist insoweit mehr als fraglich, ob der andere Staat ein unter Anwendung des § 12 Abs. 4 BsGaV ermitteltes Dotationskapital akzeptieren würde. Ferner ist § 12 Abs. 4 BsGaV mit dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht vereinbar. Denn unter Fremdvergleichsgesichtspunkten kann der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Tochtergesellschaft ein vergleichsweise niedriges Eigenkapital seiner Gesellschaft akzeptieren. Im Übrigen besteht für den ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter eines rechtlich selbständigen Unternehmens keine vergleichbare Regelung. Damit verstößt § 12 Abs. 4 BsGaV gegen die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und deren (steuerliche) Gleichstellung mit Kapitalgesellschaften. Schließlich gilt diese Sonderregelung nur für inländische Betriebsstätten. Im Ergebnis würde die Anwendung des § 12 Abs. 4 BsGaV regelmäßig Aufteilungskonflikte und eine damit verbundene Doppelbesteuerung zur Folge haben.