Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 633
Auswirkungen auf das Funktionsprofil. Die (steuerlich relevante) Verlagerung von Funktionen i.S.d. § 1 Abs. 3b (in der Fassung ab VZ 2022) hat selbstredend Auswirkungen auf die Funktions- und Risikoausstattung eines Unternehmens. Werden Funktionen verlagert, so hat dies – je nach Intensität und Bedeutsamkeit der verlagerten Funktionen für die Gesamtwertschöpfung – spiegelbildliche Auswirkungen auf die Unternehmenscharakterisierung und infolgedessen auf die Verrechnungspreisbestimmung. Insoweit ist es von besonderer Bedeutung, dass geprüft wird, ob durch die Funktionsverlagerung die noch verbleibenden Funktionen in ihrer Bedeutung und ihrem Funktionswert für die Gesamtwertschöpfung eines Unternehmens verändert, ggf. geschmälert wurden.
Rz. 634
Einfluss auf das Funktionsprofil bei Nicht vorliegen einer Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 3b (in der Fassung ab VZ 2022). Auch wenn mangels Transfers von Gewinnpotenzial keine tatbestandliche Funktionsverlagerung i.S.d. § 1 Abs. 3b n.F. gegeben ist, kann sich die Veränderung von Funktionsprofilen auf die Verrechnungspreisbestimmung auswirken. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn
- innerhalb einer Unternehmensgruppe organisationsrechtliche Aufgaben neu zugeteilt werden, ohne (materielle oder immaterielle) Wirtschaftsgüter zu übertragen oder zu überlassen oder
- Personal innerhalb der Unternehmensgruppe entsandt oder versetzt wird, ohne dass in diesem Zusammenhang wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter mit übergehen.
Denn durch die Veränderung der Organisationsstruktur kann u.U. die Funktionstiefe oder die Fähigkeit, maßgeblichen Einfluss auf die Risikokontrolle einer Funktion auszuüben, betroffen sein. Dies kann u.U. signifikanten Einfluss auf die Positionierung einer Funktion innerhalb der Unternehmensgesamtwertschöpfungskette haben.
Sicherstellung der Funktions- und Risikoadäquanz. In derartigen Fällen ist gleichwohl sicherzustellen, dass die angewendete Verrechnungspreismethode und die damit erzielten Vergütungen (immer noch) als funktions- und risikoadäquat betrachtet werden können. Insbesondere die OECD-Leitlinien 2022 zählen bei der sog. Funktionsänderung zahlreiche Beispiele auf, die durch einen erheblichen Einfluss auf das Funktions- und Risikoprofil des betreffenden Unternehmens gekennzeichnet sind, bspw. die Umwandlung von Eigenhändlern in sog. risikoarme Vertriebsunternehmen, die Umwandlung von Eigenproduzenten in Auftragsfertiger oder die Zentralisierung von Funktionen in regionalen bzw. zentralen Konzerneinheiten mit einer entsprechenden Verringerung des dezentral ausgeübten Funktionsspektrums (z.B. in den Bereichen Beschaffung, Vertriebsunterstützung und Lieferkettenlogistik). Derartige Funktionsänderungen bzw. Funktionsabschmelzungen haben erhebliche Auswirkungen auf das Funktions- und Risikoprofil der betroffenen Konzernunternehmen und bedürfen einer entsprechenden Analyse, die bereits vor dem Hintergrund der sodann anzuwendenden Verrechnungspreismethodik erforderlich ist.