Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 1
§ 16 AStG ist bereits seit der Schaffung des AStG 1972 im Gesetz enthalten und bis heute nahezu unverändert geblieben (vgl. Rz. 2 ff.). Während in sämtlichen Entwürfen der ersten Fassung der Norm bis einschließlich der Regierungsvorlage die Geschäftsbeziehungen nur zu niedrig besteuerten ausländischen Gesellschaften schädlich i.S. der Vorschrift waren, wurden im Rahmen der Beratungen des Finanzausschusses den ausländischen Gesellschaften im Ausland ansässige Personen und Personengesellschaften gleichgestellt. Damit wurde eine vorher übersehene Gesetzeslücke geschlossen. Das zweite Gesetzesmerkmal, das in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Änderungen erfahren hat, betrifft die nähere Umschreibung der unwesentlichen Besteuerung. Während der 1. und 3. RefE auch gesetzestechnisch von einer niedrigen Besteuerung sprachen und damit eine Gedankenverbindung sowohl zu § 2 Abs. 2 als auch zu § 8 Abs. 3 (dem heutigen § 8 Abs. 5) schufen, spricht der 2. RefE von unwesentlicher sowie Vorzugsbesteuerung, der KabE nur noch von keiner oder einer unwesentlichen Besteuerung. Der Gesetzgeber hat also offenbar bewusst hier eine von §§ 2 Abs. 2, 8 Abs. 5 abweichende Terminologie gewählt, was bei der Auslegung des Begriffes "unwesentlich" zu beachten ist (vgl. Rz. 41 ff.).
Rz. 2
Während der 1. RefE für die Niedrigbesteuerung auf sämtliche Einkünfte der ausländischen Gesellschaft abstellte, sah bereits der 2. RefE eine differenziertere Regelung vor, die alternativ sämtliche Einkünfte oder die im Zusammenhang mit den Geschäftsbeziehungen stehenden Einkünfte ansprach. Ab dem 3. RefE wird nur noch auf die niedrigbesteuerten Einkünfte abgestellt, die in Zusammenhang mit den Geschäftsbeziehungen zu dem Steuerpflichtigen stehen. Dieser Umstand muss im Ergebnis dazu führen, dass § 16 praktisch nie Anwendung finden kann. Denn ein Außenstehender wird wohl nie die Niedrigbesteuerung bestimmter Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft, Person oder Personengesellschaft darlegen und nachweisen können. Die Problematik beginnt bei der Tatsache, dass ein Außenstehender kaum in der Lage ist, die Einnahmen und Ausgaben zu den einzelnen Geschäftsbeziehungen einigermaßen zutreffend zuzuordnen; sie hört bei den sich aus der Technik der Gewinnermittlung ergebenden Schwierigkeiten auf.
Rz. 3
Die letzte wesentliche Änderung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens betrifft die Frage, welche Steuern zur Beurteilung der unwesentlichen Steuerlastquote heranzuziehen sind. Während der 1. und 2. RefE wohl in Anlehnung an § 8 Abs. 3 (heute § 8 Abs. 5) nur auf die Steuer im Staat des Sitzes und der Geschäftsleitung der ausländischen Gesellschaft abstellte, berücksichtigte bereits der 3. RefE sämtliche Steuern. Eine andere Gesetzesregelung wäre wohl auch kaum zu rechtfertigen gewesen, weil die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben und Schulden schlechthin nicht von der Frage abhängig gemacht werden kann, in welchem Staat die maßgeblichen Einkünfte besteuert werden. Insbesondere bei der Anwendung des Freistellungsprinzips aufgrund von DBA wäre es zu gerade unerträglichen Ergebnissen gekommen.
Rz. 4
Zum 1.1.1977 ist die AO in Kraft getreten. Dies machte es erforderlich, § 16 an die Bestimmungen der AO anzubinden. Deshalb wurde die Bestimmung durch Art. 3 Einführungsgesetz zur AO (EGAO) vom 14.12.1976 geändert, ohne dass sich dies auf ihren materiellen Inhalt ausgewirkt hätte. Statt wie früher auf § 205a RAO verweist § 16 AStG seitdem auf § 160 AO. Seitdem besteht die Norm unverändert fort. Auch das ATAD-Umsetzungsgesetz, durch das weite Teile des AStG neu gefasst wurden, hat nicht zu Änderungen des § 16 geführt.