Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
... [2] Liegt einem Geschäftsvorfall keine schuldrechtliche Vereinbarung zugrunde, ist davon auszugehen, dass voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen hätten oder eine bestehende Rechtsposition geltend machen würden, die der Besteuerung zugrunde zu legen ist, es sei denn, der Steuerpflichtige macht im Einzelfall etwas anderes glaubhaft.
Rz. 2800
Unklarer Anwendungsbereich. Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 Satz 2 bleibt offen. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 soll Satz 2 klarstellen, dass "Geschäftsbeziehungen ohne nachweisbare schuldrechtliche Vereinbarung so behandelt werden, als ob ihnen – wie im Regelfall zwischen voneinander unabhängigen Personen üblich – schuldrechtliche Vereinbarungen zugrunde lägen". Die Begründung – noch zum Wortlaut von Satz 2 i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, der auf eine "Geschäftsbeziehung" anstelle eines "Geschäftsvorfalls" abstellt (Rz. 2781.1) – erschöpft sich hier in einer Tautologie, da die Vorschrift eben das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung regelt und diese damit nicht Tatbestandsmerkmal sein kann. Dies hat der Gesetzgeber insofern korrigiert, als nunmehr auf "Geschäftsvorfälle" abgestellt wird. Gleichwohl bleibt weiter unklar, weshalb voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eine schuldrechtliche Vereinbarung treffen würden, wenn eine solche nicht vorliegt.
Satz 2 soll wohl insbesondere Fälle der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 abdecken (Rz. 2791 ff.). Welche Rechtsfolgen mit der Fiktion der schuldrechtlichen Vereinbarung nach Satz 2 verbunden sind, ist jedoch unklar, da die Vorschrift des § 1 Abs. 4 im Übrigen seit dem AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 nicht mehr auf "schuldrechtliche Beziehungen", sondern allgemein auf "Geschäftsvorfälle" abstellt und die "schuldrechtliche Beziehung" damit keine eigenständige Bedeutung mehr hat. Ebenso unklar bleibt, welche Folgen mit einer Glaubhaftmachung verbunden sind sowie was konkret glaubhaft zu machen ist.
Schließlich führt die vorgesehene Fiktion einer schuldrechtlichen Vereinbarung im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr zulasten des Stpfl. Dieser muss jeweils "im Einzelfall" glaubhaft machen, dass voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter keine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen hätten. Dies verstößt gegen die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze, nach denen die Finanzverwaltung die Beweislast für Einkünftekorrekturen trägt.