Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Literatur
Andresen, Missverstandener Authorised OECD Approach bei inländischer Betriebsstätte mit mehrjährigen Verlusten, DB 2012, 879; Ditz/Quilitzsch, Die Änderungen im AStG durch das AmtshilfeRLUmsG – Quo vadis Außensteuergesetz?, DStR 2013, 1917; Froitzheim, Steuerliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und deren Auswirkungen auf die Gewinnabgrenzung, Köln 2015; Günkel/Lieber, Zur Änderung des Begriffs der "Geschäftsbeziehung" in § 1 Abs. 4 AStG, IStR 2004, 229; Haferkamp/Binding, Gesellschaftsvertragliche Vereinbarung i.S. des § 1 Abs. 4 AStG nF, ISR 2015, 85; Heyd, Internationale Gewinnabgrenzung bei der Geschäftstätigkeit über Betriebsstättenstrukturen, Berlin 2014; Richter/Heyd, Neujustierung der Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung durch die Implementierung des Authorized OECD-Approach, Ubg 2013, 418; Schnitger, Änderungen des § 1 AStG und Umsetzung des AOA durch das JStG 2013, IStR 2012, 633; von Goldacker, Gewinnverlagerung zwischen Schwesterbetriebsstätten – eine Analyse des AOA, BB 2013, 87; Wassermeyer, Die BFH-Rechtsprechung zur Betriebsstättenbesteuerung vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV, IStR 2015, 40.
I. Entwicklung von § 1 Abs. 4
Rz. 2781
Rechtslage bis 2012 einschließlich. Der Begriff "Geschäftsbeziehung" war bis einschließlich 1991 in § 1 gesetzlich nicht definiert. Der BFH ging in seinem Urt. v. 30.5.1990 – I R 97/88 davon aus, dass der Begriff unter Veranlassungsgesichtspunkten auszulegen sei, sodass alle Beziehungen, die ausschließlich durch ein Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, nicht als Geschäftsbeziehungen einzuordnen waren. Dem Gesetzgeber war diese Sichtweise zu eng. Er fügte mit Wirkung ab dem VZ 1992 durch Art. 17 Nr. 1 StÄndG 1992 dem § 1 einen Abs. 4 an und regelte dort den Ausdruck gesetzlich. Nach § 1 Abs. 4 sollte eine Geschäftsbeziehung anzunehmen sein, wenn die den Einkünften zugrunde liegende Beziehung entweder beim Stpfl. oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde. Im Ergebnis schloss diese Formulierung allerdings nicht aus, dass der BFH an seiner o.g. Rspr. festhielt und alle privat bzw. durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Ereignisse aus dem Anwendungsbereich des § 1 ausklammerte, weil sie schon nach allgemeinen Grundsätzen die Einkünfte nicht mindern durften.
Im StVergAbG v. 16.5.2003 wurde § 1 Abs. 4 noch einmal geändert und dergestalt gefasst, dass nun jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung erfasst werden sollte, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und die – wie vorher – entweder beim Stpfl. oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder im Falle eines ausländischen Nahestehenden dann anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde. Die Gesetzesänderung bedeutete einen Systembruch, da sich § 1 Abs. 4 plötzlich am Zivilrecht orientierte, obwohl die Auslegung der Einkünftekorrekturvorschriften bisher vom Veranlassungsgrundsatz geprägt war. Es blieb auch unberücksichtigt, dass eine "private Veranlassung" nicht zwangsläufig schuldrechtlicher Natur sein muss.
Im UntStRG v. 14.8.2007 wurde der Regelungsinhalt des bisherigen § 1 Abs. 4 schließlich in den Abs. 5 verlagert, ohne dass der Inhalt im Übrigen geändert worden wäre.
Rz. 2781.1
Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz. Im AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 wurde der bisherige § 1 Abs. 4 ersatzlos aufgehoben, sodass der bisherige § 1 Abs. 5 wieder zu Abs. 4 wurde. Wesentlicher Bestandteil der Änderungen durch das AmtshilfeRLUmsG war die Einführung des Begriffs der "anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung", der Geschäftsvorfälle zwischen verschiedenen Betriebsstätten eines Unternehmens erfassen soll (Rz. 2791.1 ff.). Zudem wurden in § 1 Abs. 4 einige inhaltliche Anpassungen vorgenommen. Seither wird der Begriff "Geschäftsbeziehung" als "einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle)" definiert, denen keine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung zugrunde liegt und die – wie vorher – Teil einer Tätigkeit sind, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG usw. Anwendung finden. Mithin wurde also der Begriff "Geschäftsbeziehung" durch den des "Geschäftsvorfalls" ersetzt. Auch wenn man dies vor dem Hintergrund der ebenfalls durch das AmtshilfeRLUmsG eingefügten Vorschriften zur betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung/-abgrenzung in § 1 Abs. 5 sehen muss, hat sich durch die Neuformulierung weder die Klarheit noch die Rechtssicherheit von § 1 Abs. 4 wesentlich erhöht. Aus der "Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist" wurde "ein Geschäftsvorfall, dem keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt". Die Formulierung "zugrunde liegt" deutet einen Schritt in Richtung der Anwendung des Veranlassungsprinzips an. Die Tendenz des Gesetzgebers geht dennoch offensi...