Prof. Dr. Daniela Eisele-Wijnbergen
Die arbeitnehmerseitige Fluktuation im Unternehmen kann mit einer prozessualen oder inhaltlichen Brille betrachtet werden. Nachfolgend werden zunächst inhaltliche Faktoren aufgezeigt und um die prozessuale Perspektive ergänzt. Im Wesentlichen können Aspekte in drei Bereiche eingeteilt werden:
- Faktoren, die in der Person des Mitarbeitenden liegen
- betriebliche Faktoren
- außerbetriebliche Faktoren.
In jedem Fall ist es ratsam, mit dem ausscheidenden Mitarbeiter ein Austrittsinterview zu führen, um zu erfahren, welche Gründe im spezifischen Fall zur Beendigung geführt haben. Gründe, die das Unternehmen betreffen, können meist überprüft und ggf. auch verändert werden.
Die Gestaltung von Austrittsinterviews wird daher im nächsten Kapitel aufgegriffen. Ergänzt wird dies durch Hinweise auf einen datenbasierten Ansatz. Damit werden nicht nur grundsätzlich mögliche Faktoren, sondern Fluktuationsrisiken (mit spezifischen Ursachen) statistisch für einzelne Mitarbeitende ermittelt.
3.1 Persönliche Faktoren
Der Grund für einen Arbeitsplatzwechsel kann auch in der Person des Arbeitnehmers liegen, wobei folgenden Zusammenhängen lt. zahlreicher Erhebungen recht konstant eine hohe Relevanz zukommt.
- Mit steigendem Dienst- und Lebensalter sinkt die Fluktuation, diese ist auch geringer mit Kindern im eigenen Haushalt.
- Mit Blick auf die Big Five Persönlichkeitsfaktoren (Offenheit – Gewissenhaftigkeit – Extraversion – Verträglichkeit – Neurotizismus) werden geringe, aber stabile Zusammenhänge zwischen emotionaler Stabilität und Gewissenhaftigkeit sowie einer geringeren Neigung zu kündigen berichtet. Offenheit dagegen geht mit einer höheren Kündigungsneigung einher.
- Instabile Wohnverhältnisse und ungünstige Verkehrsanbindung (lange Pendelzeiten) erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung statistisch.
- Arbeitszufriedenheit und ein hohes Commitment (Maß der Verbundenheit) gehen nachvollziehbar mit einer geringen Fluktuationsneigung einher. Dagegen zeigt sich statistisch bei der Leistung ein u-förmiger Verlauf. D.h. eine mittlere Leistung ist mit einer geringen Fluktuationsneigung verbunden, während eine besonders niedrige Leistung und eine besonders hohe Leistung mit einer höheren Kündigungsneigung einhergehen.
Es zeigt sich, dass insbesondere jüngere Mitarbeiter mit kurzer Betriebszugehörigkeit das Unternehmen wesentlich häufiger verlassen als Beschäftigte, die schon langjährig im Unternehmen tätig sind. Dabei ist in der ersten Zeit eine erste Welle und eine kleine zweite Welle zwischen drei bis fünf Jahren ersichtlich. Daher gilt es, ein besonderes Augenmerk auf diese Zielgruppen zu legen und im ersten Fall entsprechende Integrations- und Einarbeitungskonzepte (Stichwort: Onboarding) zu erarbeiten sowie im zweiten Fall vor allem interessante Perspektiven aufzuzeigen.
Ganz anders Mitarbeitende, die aufgrund von Elternschaft aus dem Unternehmen ausscheiden. Diese können häufig durch flexible Arbeitszeitmodelle, attraktive Teilzeitangebote sowie Möglichkeiten der Kinderbetreuung Anreize erhalten, weiterhin dem Unternehmen treu zu bleiben.
Nicht zuletzt spielen private Entscheidungen, wie ein Umzug, die Aufnahme eines Studiums oder eine berufliche Umorientierung eine Rolle bei der Kündigung. Hier hat das Unternehmen begrenzt direkte Handhabe. Wo allerdings ein Wille ist bzw. hier eher der Wille beider, ist oft dennoch ein Weg: So besteht im ersten Fall vielleicht die Möglichkeit remote zu arbeiten, für den zweiten Fall kann man sich ggf. auf ein gemeinsames berufsbegleitendes Studium einigen und im dritten Fall kann der Arbeitgeber ggf. gänzlich andere Perspektiven eröffnen.
3.2 Betriebliche Faktoren und Ansatzpunkte
Zu den betrieblichen Faktoren gehören tätigkeitsbezogene Aspekte, der Arbeitsplatz und Aspekte der Gesamtorganisation. Dabei kommt der Tätigkeit selbst sowie den direkten Umgebungsfaktoren regelmäßig höhere Relevanz zu.
In der (Beratungs-)Praxis wird oft auf relationale Aspekte, insbesondere die Führung, fokussiert. Dass dieser Faktor eine Rolle spielt, ist unbenommen. Es ist aber nur einer unter vielen und lässt sich statistisch nicht als Hauptfaktor, noch nicht einmal als besonders wesentlich herausstellen. Ein Führungskräftetraining zu verabreichen, ist aber natürlich etwas einfacher als die Arbeitsplatzsicherheit langfristig zu erhöhen. Dass es dann auch nur begrenzt Wirkung zeigt, darf nicht verwundern. Zu viele verschiedene statistische Zusammenhänge sind aus empirischen Einzelstudien und Meta-Analysen relativ konstant ersichtlich:
- Die Kündigungsneigung sinkt mit einem als hoch wahrgenommenen Fit von Person zu Job und Organisation, d. h. Kompetenzen und Interessen sowie Werte werden als stimmig mit den Aufgaben und Anforderungen sowie der Organisationskultur empfunden.
- Die Kündigungsneigung erhöht sich bei fehlenden Aufstiegschancen sowie einem als schlecht empfundenen Betriebsklima.
- Fluktuationsraten steigen erstaunlicherweise bei einer höher wahrgenommenen Belastung im Arbeitsprozess (bis zu einem gewissen Grad) nicht. Allerdings steigen sie mit einer Belastung durch die Arbeitsumgebung,...