OFD Niedersachsen, Verfügung v. 4.8.2014, S 0353 - 9 - St 144
1. Allgemeines
Grundlagenbescheide i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide oder sonstige für eine Steuerfestsetzung bindende Verwaltungsakte.
Auch Verwaltungsakte von Behörden, die keine Finanzbehörden sind, können Grundlagenbescheide sein, wie z.B.:
Folgebescheide sind nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO an die Grundlagenbescheide anzupassen, denn diese sind im Umfang der in ihnen getroffenen Feststellungen für Folgebescheide bindend (§ 182 Abs. 1 AO).
2. Unterbliebene Änderung beim Folgebescheid
2.1. Ist die Anpassung eines Folgebescheides an einen Grundlagenbescheid unterblieben, so kann sie, falls die Festsetzungsfrist beim Folgebescheid bzw. Grundlagenbescheid noch nicht abgelaufen oder die Frist gehemmt ist (s. Tz. 2.1), jederzeit nachgeholt werden (vgl. BFH-Urteile vom 9.8.1983, BStBl 1984 II S. 86, 9.10.1985, BStBl 1986 II S. 93, und vom 6.11.1985, BStBl 1986 II S. 168).
2.2. Das (versehentliche) Übersehen eines Grundlagenbescheides (bzw. der Mitteilung über die getroffenen Feststellungen) stellt eine offenbare Unrichtigkeit dar (vgl. BFH vom 16.7.2003, BStBl 2003 II S. 867). Dementsprechend ist bei der Überprüfung der Verjährung in einem derartigen Fall auch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 2 AO zu beachten.
Ist bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung die Auswertung der Mitteilung aufgrund innerorganisatorischer Mängel unterblieben, führt die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben nicht zu einer Verpflichtung auf Bescheidänderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zugunsten des Steuerpflichtigen (vgl. BFH vom 19.8.1999, BStBl 2000 II S. 330).
3. Anpassungsfehler
3.1. Wurden die in einem Grundlagenbescheid festgestellten Besteuerungsgrundlagen in einem Folgebescheid nicht zutreffend berücksichtigt (sog. Anpassungsfehler), so ist der Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern (BFH-Urteil vom 14.4.1988, BStBl 1988 II S. 711). Es liegt jedoch kein Anpassungsfehler vor, wenn Besteuerungsgrundlagen, die nicht Gegenstand des Grundlagenbescheids sind, anlässlich der Auswertung einer Mitteilung irrtümlich verändert oder weggelassen werden (BFH-Beschluss vom 27.5.1998, BFH/NV 1998 S. 1452).
3.2. Die Verpflichtung zur – vollen – Anpassung des Folgebescheides an den Grundlagenbescheid besteht auch dann noch, wenn der zunächst nicht oder fehlerhaft ausgewertete Grundlagenbescheid später geändert wird. In diesem Fall ist die Änderung des Folgebescheides zur Herbeiführung eines materiell richtigen Ergebnisses selbst dann geboten, wenn sie dazu dient, eine zuvor versäumte Anpassung des Folgebescheides nachzuholen. Ein „Verbrauch” der Möglichkeit, den Folgebescheid an den geänderten Grundlagenbescheid anzupassen, ist durch die zunächst unterbliebene Berücksichtigung des Grundlagenbescheids nicht eingetreten (BFH-Urteil vom 17.2.1993, BFH/NV 1994 S. 1).
4. Negativer Feststellungsbescheid
Wird eine Feststellung abgelehnt und ergeht ein negativer Feststellungsbescheid, liegt ebenfalls ein Grundlagenbescheid vor, der für den Folgebescheid bindend ist. Das für den Erlass des Folgebescheids zuständige Finanzamt hat die entsprechenden Folgerungen zu ziehen (z.B. Ermittlung des Sachverhalts, der bisher Gegenstand des Grundlagenbescheids war) und erforderlichenfalls den Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern (BFH-Urteil vom 25.6.1991, BStBl 1991 II S. 821).
5. Beschränkung/Erweiterung des Gegenstands der Feststellung
Ein Tatbestand des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist auch gegeben, wenn einzelne Besteuerungsgrundlagen aus dem Feststellungsverfahren ausgeschieden oder in das Feststellungsverfahren aufgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 14.7.1993, BStBl 1994 II S. 77).
Im ersten Fall hat das für den Erlass des Folgebescheides zuständige Finanzamt den nicht oder nicht mehr in das Feststellungsverfahren einbezogenen Sachverhalt eigenständig zu ermitteln und zu werten, ohne an frühere Beurteilungen oder Berechnungen gebunden zu sein (BFH-Urteil vom 11.4.1990, BFH/NV 1991 S. 143; BFH-Urteil vom 7.12.1993, BFH/NV 1994 S. 547).
Beim zweiten Tatbestand sind die Besteuerungsgrundlagen, die bislang beim Folgebescheid in rechtlich unselbständiger Weise berücksichtigt worden sind, nicht mehr anzusetzen.
6. Ausgleich von Rechtsfehlern (§ 177 AO)
6.1. Bei einer nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erforderlich werdenden Änderung eines Folgebescheides sind Rechtsfehler im Rahmen des § 177 AO zu berichtigen.
Die Verpflichtung zur Berichtigung von Amts wegen besteht sowohl bei Fehlern, die sich zugunsten als auch zuungunsten des Steuerpflichtigen ausgewirkt haben. Die Berichtigung ist auch dann vorzunehmen, wenn die Rechtsfehler selbst eine Korrekturmöglichkeit nach de...