Leitsatz
* 1. Die verbilligte Abtretung wertgeminderter Forderungen gegenüber einer notleidenden GmbH an den Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH stellt für diese regelmäßig keine Geschäftschance auf einen Forderungsverzicht durch den Gläubiger und damit keine vGA dar.
2. Der Verkauf der Forderungen anstelle des Verzichts auf diese Forderungen ist grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich.
* Leitsätze nicht amtlich
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG , § 42 Satz 1 AO
Sachverhalt
Klägerin war eine GmbH, die in eine Unternehmensgruppe von Initiatoren nach dem sog. Bauherrenmodell eingegliedert war. In diesem Zusammenhang übernahm sie Mietgarantien, was beträchtliche Verluste auslöste und zu Verbindlichkeiten gegenüber einzelnen Firmen der Unternehmensgruppe führte. Nachdem ihre Anteile an die Geschäftsführerin verkauft worden waren, veräußerten die Gläubigerfirmen an diese auch die Forderungen zu erheblich unter den Nennwerten liegenden Preisen. Die GmbH wechselte in der Folgezeit ihren bisherigen Geschäftsbereich und erwirtschaftete wieder Gewinne. Die abgetretenen Forderungen ließen sich durch die Neugläubigerin dadurch z. T. realisieren.
Das FA sah in den Unterschiedsbeträgen zwischen den Forderungsnennwerten und den Kaufpreisen vGA, insbesondere deswegen, weil die Geschäftsführerin Geschäftschancen der GmbH auf Forderungserlassen als Eigengeschäfte wahrgenommen habe. Das FG stimmte dem zu (EFG 2001 457).
Entscheidung
Der BFH sah dies anders. Zwar träfe es zu, dass in der Eigenwahrnehmung einer Geschäftschance, die sich an sich der GmbH böte, durch den Gesellschafter-Geschäftsführer eine vGA liegen könne. Eine entsprechende Gewinnverlagerung sei anzunehmen, wenn ein fremder Dritter für die Überlassung der Chance ein Entgelt gezahlt hätte.
Im Urteilsfall könne indes dahinstehen, ob eine solche Betrachtungsweise zwingend die Marktgängigkeit der sich bietenden Chance voraussetze. Denn der Forderungsverkauf einerseits und der etwaige Schuldenerlass andererseits seien wirtschaftlich nicht beliebig austauschbar.
Während der Verkauf dem Neugläubiger die Möglichkeit lasse, die Forderung später doch noch ganz oder z.T. zu realisieren, sei diese Möglichkeit beim Schuldenerlass nicht gegeben. Folglich sei auch der "Preis" ein anderer und könne der Verkauf nicht schlechterdings in die Chance auf den Erlass umgemünzt werden.
Die GmbH als Schuldnerin habe unter den gegebenen Umständen also keine reelle Entscheidungsalternative, die sich bietende Chance entweder selbst wahrzunehmen oder aber sie dem Gesellschafter-Geschäftsführer zu überlassen. Letztlich stelle sich die Situation für die GmbH als bloßer Gläubigeraustausch dar, umso mehr dann, wenn die Alt- und Neugläubiger – wie im Urteilfall – gleich gelagerte wirtschaftliche Interessen hätten.
Das Ganze sei auch keineswegs gestaltungsmissbräuchlich. Es obliege der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit, in welcher Weise die Gesundung der notleidenden Kapitalgesellschaft herbeigeführt werde.
Hinweis
1. Erst kürzlich wurde in dieser Zeitschrift ein vom BFH "genehmigtes" und probates Gestaltungsmittel vorgestellt, um den misslichen Konsequenzen aus dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 9.6.1997, GrS 1/94 (BStBl II 1998, 307) zur verdeckten Einlage zu entgehen. Es ist dies die Kombination von Schuldübernahme und Regressverzicht durch den Gesellschafter. Auf den betreffenden Beschluss des BFH vom 20.12.2001, I B 74/01, BFH-PR 2002, 138 ist zu verweisen.
2. Seinerzeit wurde bereits darauf aufmerksam gemacht, dass sich Ähnliches möglicherweise mittels eines rechtzeitigen Forderungsverkaufs erreichen lassen könnte. Das wird nun bestätigt: Entscheidet sich der Forderungsgläubiger, seine wertgeminderten Forderungen gegenüber der notleidenden GmbH an den Gesellschafter wegen des Ausfallrisikos zu einem entsprechend geminderten Preis abzutreten, dann löst dies keinen außerordentlichen Ertrag aus. Auch Verlustpotenzial bleibt im Grundsatz (s. aber unten 3.) zum Ausgleich erhalten. Der Verkauf wirkt also wie eine Rangrücktrittserklärung, ggf. auch wie ein Verzicht gegen Besserung. Zudem mag die spätere Gesundung der GmbH dem Zessionar einen Gewinn bescheren. Die Nachteile des uneingeschränkten Forderungsverzichts werden vermieden.
Dass das dem FA regelmäßig nicht so recht gefällt, liegt auf der Hand. Der BFH hat aber unmissverständlich klargestellt, dass dieser Gestaltungs(aus)weg im Allgemeinen steuerlich unverdächtig ist. Insbesondere belässt er keinen Zweifel:
- Auf der einen Seite ist die Forderungsabtretung wirtschaftlich nicht etwa einem Forderungsverzicht vergleichbar. Die Abtretung kann deswegen auch nicht ohne weiteres als ggf. vGA-auslösende Geschäftschance der GmbH auf Entschuldung im Weg des Verzichts umqualifiziert werden, also als eine solche Geschäftschance, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer nicht als Eigengeschäft wahrgenommen, sondern "seiner" GmbH überlassen hätte. Vielmehr erkennt der BFH in der Abtretung aus Sicht der GmbH einen von ihr letztlich unbee...